Forumstreffen I/2019

  • Seite 5 von 5
07.05.2019 11:45
avatar  ( gelöscht )
#61 RE: Forumstreffen I/2019
Gast
( gelöscht )

Hier mal ein Link zu Udos besuchtem Konzert:

https://chemnitz.nak-nordost.de/dbc/214877/162093/276-Tasten-2-Instrumente


 Antworten

 Beitrag melden
07.05.2019 12:02
avatar  udo
#62 RE: Forumstreffen I/2019
avatar
udo

Vielen Dank Viola Pomposa,

ich habe den Beitrag der NAK Chemnitz mit Freude gelesen.

Hier noch einmal der Link zum direkten Aufruf https://chemnitz.nak-nordost.de/dbc/2148...n-2-Instrumente

Liebe Grüße
Udo


 Antworten

 Beitrag melden
07.05.2019 13:20 (zuletzt bearbeitet: 04.06.2019 07:57)
#63 RE: Forumstreffen I/2019
avatar
Moderator

Erlebnisaufsatz Teil II:

Eine der größten klassizistischen Kirchen Sachsens erwartete uns am zweiten Tag unseres Treffens in Lößnitz. Ihr Entstehen verdankt der Ort einem Stadtbrand 1806, ihre Größe dem Umstand, dass ein Kranz von Dörfern „eingepfarrt“ war. So gibt es Seitenemporen in drei Etagen und im Halbrund um Altar und Kanzel Separées auf drei Ebenen, in denen der Landadel und die Honoratiorenschaft - den Blicken des gemeinen Volkes entzogen - dem Gottesdienst beiwohnen konnte. Wie in nahezu allen Landkirchen des Erzgebirges sorgen hohe Fenster und weiße Wandflächen für einen freundlichen, lichtdurchfluteten Raum. An seiner Westseite steht eine in zwei Etagen aufgebaute stattliche Dreimanualige der Gebrüder Jehmlich aus 1899 mit 53 Registern. Sie war eines der ersten pneumatischen Instrumente des Hauses. Jehmlich war konservativ, hielt bei kleineren Orgeln konsequent zunächst an der Schleiflade, dann an der mechanischen Kegellade fest - und das in einer Zeit, in der andere renommierte Firmen sich längst "modernen" pneumatischen Ladensystemen verschrieben hatten.
Vom Orgelmarathon 2010 hatte ich dieses Instrument als hervorragene Rheinberger- und Mendelssohn-Orgel in Erinnerung. Damals war die Pneumatik in weiten Teilen relativ frisch generalüberholt und arbeitete sehr zuverlässig.
Martin Seidel, der junge Kollege, der dort Kantor ist, lebt mit diesem klangschönen Instrument und dem Umstand, dass die Pneumatik halt gelegentlich ihre Tücken hat. Er weiß, wo er hinlangen muss, wenn im Pedal und in der Koppelanlage ein Ton heult.
Zunächst war uns die alte Dame gnädig gesinnt. Mein Vorsichtiges Vordringen in die Klangwelt ihrer herrlich ausintonierten Grundstimmen jedenfalls quittierte sie mit Wohlverhalten. Spätere Kollegen hatten weniger Glück – auf ein Generaltutti reagierte sie dann mit einem penetranten Heuler im Koppelapparat. Und der arme Kollege unkte, ob er es wohl ohne Orgelbauer schaffen würde, diese Störung zu beheben. Ich hoffe inständig, es ist ihm gelungen – zumindest die Ursache abzustellen.
Diese Orgel ermöglicht wunderschönen Farbenzauber.
Im HW ist ein klassisches Silbermann-Plenum bis in die Mixturen möglich. Das OW und SW bieten zu allen Manual-8’ern fein gestufte und differenziert intonierte Echostimmen an – bis zur fein glänzenden Streichermixtur im SW. Oboe und Clarinette sind von orchestraler Wirkung und klingen in der warmen Akustik rund und edel.
Wie in fast allen Gemeinden ist das Geld knapp. Und es sind hohe Investitionen erforderlich, die überkommenen Instrumente zu pflegen – die Zeiten großzügiger öffentlicher Zuschüsse sind vorbei.
Der Kollege hofft, mittelfristig eine Generalüberholung der Orgel durchzusetzen. Nach knapp 30 Jahren absolut kein Luxus, sondern verantwortlicher Umgang mit einem hochrangigen Kulturgut.

Obwohl wir mit einem Etablissement gleichen Namens am Vortag schlechte Erfahrungen gemacht hatten, wagten wir uns zum Mittagsmahle in den "Ratskeller" am Marktplatz von Lößnitz. Er erwies sich als exzellent geführtes italienisches Restaurant, dessen Mitarbeiter keine zwei Minuten brauchten, um eine Tafel aufzubauen, an der wir alle Platz hatten. Das Essen war gut, die Preise zivil und das Personal freundlich und aufmerksam. So wie man es gern hat. Prädikat: "Vom Sakralorgelforum empfohlen!"

Wir hatten bereits unmittelbar vor Lößnitz vor einer gesperrten Ortsdurchfahrt gestanden und eine Umgehung via Feldwegenetz ausgekundschaftet. Im nahegelegenen Thalheim war die Baustelle mitten im Ort und wir erlebten die Irrungen und Wirrungen eines Einbahnstraßen-Systems voller List und Tücke, bis wir an der Kirche vorfahren konnten. Dieser große, spätbarocke/frühklassizistische Raum in Weiß und Gold stammt von Friedrich Uhlig, der im wirtschaftlich prosperierenden Erzgebirge des beginnenden 19. Jh. zahlreiche repräsentative Kirchbauten erstellt hat.
Die Orgel steht in einem Gehäuse, das Johann Friedrich Göthel für die Vorgängerin erstellt hatte. Sie stammt von den Gebrüdern Jehmlich aus 1923 und trägt bereits klangliche Züge, die von der „elsässischen Orgelreform“ um Albert Schweitzer und Émile Rupp geprägt sind. Sie „französelt“ hörbar, hat zwei Schwellwerke, eines mit Flöten-, das andere mit Streicherschwebung. Der Spieltisch nimmt deutliche Bezüge zum „Normalspieltisch“, den die Reformer postulierten und 1909 erstmals vorstellten. So sind die Koppeln als Registerwippen unter dem I. Manual angelegt und korrespondieren mit Appels. Drei freie Kombinationen erlauben kontrastreiche farbliche und dynamische Effekte mit den 49 Registern. Aus den üppigen und herrlich verschmelzenden Grundstimmen leuchten die bereits „orgelbewegten“ Oberton- und Aliquotstimmen heraus.

In der Trinitatiskirche von Zwönitz, einem barocken Zentralbau mit Netzgewölbe, steht seit 1993 eine Orgel der traditionsreichen Firma Eule aus Bautzen. Mit II/32 ist sie optisch und klanglich deutlich von den Instrumenten Silbermanns inspiriert. Die sensible Traktur erlaubt ein präzises Spiel, das Klangmaterial zeichnet bis in die Flöten polyphone Strukturen nach. Das Plenum hat Kraft ohne Schärfe oder gar Brutalität. Das Ideal einer Orgel für die vier barocken „B“ – Bach, Böhm, Bruhns, Buxtehude.

Die Rückfahrt mit der untergehenden Sonne im Rücken über die gewundenen Höhenstraßen des landschaftlich reizvollen Erzgebirges hätte jede Menge Fotohalte nötig gemacht – aber im Hotel wartete die Aussicht auf eine gesellige Tafelrunde. Und dieser Aspekt kam nicht zu kurz. Wer hätte Anderes erwartet?

LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
07.05.2019 13:36
#64 RE: Forumstreffen I/2019
avatar

Nachdem ich mit Udo und Gerlinde in Chemnitz den Gottesdienst der NAK – Gemeinde besucht habe, bin auch ich am Sonntagnachmittag gut zu Hause angekommen. Ich kann mich den Worten, die hier geschrieben wurden, nur anschließen. Michael hat ein sehr gemütliches Hotel mit guter Restauration ausgewählt und uns mit dem sehr schönen Programm perfekte Orgeltage geboten. Dafür möchte ich mich auch noch einmal bedanken. Dank gilt auch den Autofahrern, die uns durch eine wunderschöne Landschaft, auf teilweise wie Achterbahnen angelegten Straßen, sicher an alle Ziele gebracht haben. Einziger Wermutstropfen war das Wetter, welches von 15° C und Sonnenschein am ersten Tag bis 2° C mit Schneegestöber am Samstag alle Facetten des Frühlings parat hatte. An den Abenden konnten wir in einem separaten Raum des Hotelrestaurants sehr viel lachen und fachsimpeln. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Treffen.
Liebe Grüße
Matthias

Gloria Concerto 350 Trend

 Antworten

 Beitrag melden
07.05.2019 16:09 (zuletzt bearbeitet: 04.06.2019 08:01)
#65 RE: Forumstreffen I/2019
avatar
Moderator

Erlebnisaufsatz Teil III:

Freitagabend begann es zu regnen. Das Land lechzte danach, wir waren „not amused“, weil die Prognose desgleichen auch für den Samstag vorhersagte. Wir machten uns also Samstag früh auf den Weg in die Landeshauptstadt Dresden. Unterwegs ging der Regen in Schnee über – und ich hatte eigens am Dienstag vor dem 1. Mai Sommerreifen aufgezogen. Zum Glück nagelneue. Und der Schnee blieb nicht liegen. In Dresden standen wir – die Silhouette der Hofkirche in Sichtweite – vor der obligatorischen Straßensperre. Irgendwie fanden wir dann doch ein Parkhaus nahe der Frauenkirche und arbeiteten uns von dort am Schloss entlang zur Hofkirche vor. Und zwar in strömendem Regen. Nass wie die Katzen kamen wir dort an, gerade rechtzeitig zum allsamstäglichen Mittagsorgeln. Die hochbarocke Kirche ist zugleich Kathedrale des kath. Bistums Dresden-Meißen. Domorganist Johannes Trümpler spielte u.a. die Sonate „pascale“ (die österliche) von Nicolas Lemmens (auf dem Choral „O filii et filiae“ basierend) – und das auf einer Orgel aus 1754 ...
Niemand hat das Schwellwerk vermisst. Und die Orgel hat (nicht nur dank der Prinzipalbasis 16’ und des Fagotts 16’ im HW) satte „romantische“ Fonds.
Nachdem sich das touristische Publikum verlaufen hatte, erwartete uns mein saarländischer Landsmann an der Emporentreppe und holte uns auf die Empore. Da im Kirchenschiff schon wieder Führungen in mehreren Idiomen gehalten wurden, konnten wir nicht spielen. Aber der Hausherr erklärte uns ausführlich die Konzeption des Instrumentes und die Entwicklungsgeschichte. Rechtzeitig vor dem furchtbaren Luftangriff auf Dresden war die Orgel ausgelagert worden und ruhte – in Kisten verpackt – bis in die 60er Jahre im Keller des Zisterzienserinnen-Klosters Maria Stern. Der Wiederaufbau der Orgel war eine der (wenigen) denkmalpflegerischen Großtaten der DDR-Kulturpolitik.

Wie übersichtlich und geradezu geräumig Silbermann seine Instrumente anlegte, konnten wir beim Einstieg ins Gehäuse feststellen. Die geteilte HW-Lade im zweiten Stock des dreistöckigen Gehäuses bietet außer den Pfeifen einem halben Dutzend Personen auf breiten Laufböden Platz. Und selbst der Aufstieg ins Oberwerk ist großzügiger dimensioniert als in mancher „Neo-Barockerin“ der gesamte Bewegungsraum für einen Stimmer ...
Wir blödelten, dass ein uns beiden bekannter linksrheinischer Orgelbauer der Gegenwart in dieses Gehäuse mühelos und bedenkenlos 100 Register gestellt hätte ...

Nach dieser ebenso fundierten wie herzlichen Führung gingen wir am Neumarkt auf Nahrungssuche und entdeckten, dass nicht nur in München ein Hofbräuhaus steht. Die sächsische Filiale bot regionale und bajuwarische Spezialitäten. Und auch an dieser Tür darf fürderhin das virtuelle Schild prangen: „Vom Sakralorgelforum empfohlen!“

Da es immer noch mit unterschiedlicher Heftigkeit regnete, war die Frauenkirche mit zwei Fraktionen angefüllt: Die eine (zu der wir wohl gehörten) wollte einfach den Raum mit seiner monumentalen Wirkung in sich aufnehmen und setzte sich dazu still in die Bankreihen. Die andere (größere) suchte einfach Schutz vor dem Regen und stöberte überall herum. Dass niemand die Kanzel bestieg und ein „Selfie“ machte, lag wohl an freundlichem, aber bestimmtem Personal. Nichtsdestotrotz: dieser Raum ist ein Erlebnis – sogar ohne Orgelmusik. Wenngleich ich den Besuch eines Gottesdienstes schon allein wegen des kompetenten Orgelspiels dort wärmstens empfehlen kann. Ich habe das mehrmals genossen.
Zum Abschluß des „offiziellen“ Programms besuchten wir die Chorvesper in der Kreuzkirche – ein absolutes Erlebnis. Bachs Kantate „Unser Mund sei voll Lachens“, a-cappella-Motetten von den Kreuzkantoren Gottfried Homilius und Theodor Weinlig; für uns Organisten als besonderes Bonbon Gustav Holts „Jupiter“ aus seiner Suite „The Planets“ in einer Orgelbearbeitung.
Die Jehmlich-Orgel aus den 70ern (mit 32’-Posaune aus Kupfer im Prospekt weil es für den Kauf eines Prinzipalbasses im kapitalistischen Westen keine Devisenfreigabe gab) war mit 77 Stimmen die größte, die je in der DDR gebaut worden ist. Nach einer Erweiterung hat sie 80 Register. Die Disposition ist hochgradig orgelbewegt. Aber der Intonateur hat eine Glanzleistung vollbracht. Mit den vielen Aliquoten sind ganz feine, gläserne Registrierungen von absoluter Klarheit möglich. Kein Klirren, kein Flirren, schon gar kein Kreischen. Rundes Verschmelzen statt der damals so geschätzten "Spaltklänge". Immer ein feiner, nobler Ton, der mit den Grundstimmen von unten herauf mächtig aufgefüllt werden kann. Ich habe mir die ganze Zeit gedacht, wie viel Spaß es machen muss, an dieser edel klingenden, tragenden Orgel eine sonntägliche Gemeinde zu begleiten.

Dann hieß es für mich: Den Diesel satteln und via A4 Richtung Westen reiten. Denn ich hatte am darauffolgenden Sonntag erst eine Pfarrerseinführung, dann eine Konfirmation (Schubiduhuuuu; Du bist Duhuuuu; das ist der Clouhuuuu; Schwapp, dapp, duhuuu; der Sack ist zuhuuuu; die Kuh sagt muhuuuu ...) zu beorgeln. Aber auch das ging vorbei ...

Mein Fazit: Schön war’s.
So wie’s aussieht, ist ja im Mai 2020 die Wiener Domorgel fertig. Das wäre doch mal ein Ausflugsziel.

Frage in die Runde der "üblichen Verdächtigen": Was machen wir im Herbst 2019? (Paris, Notre Dame, ist ja vorläufig von der Zielliste gestrichen ...)

LG
Michael


 Antworten

 Beitrag melden
07.05.2019 19:20
#66 RE: Forumstreffen I/2019
avatar
Administrator

Zitat von Wichernkantor im Beitrag #65
Frage in die Runde der "üblichen Verdächtigen": Was machen wir im Herbst 2019? (Paris, Notre Dame, ist ja vorläufig von der Zielliste gestrichen ...)

Dazu könnt ihr gerne einen eigenen Thread aufmachen.


Auf Orgelsuche.

 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!