C. Carpenter und Bach

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22.02.2022 19:46
#16 RE: C. Carpenter und Bach
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Gestern habe ich die CD "All you need is Bach" gehört, aber ich war wirklich nicht angetan davon.
Manche der registrierten Stimmen fand ich ungeeignet (einmal hat es so gedudelt, dass ich dachte, jetzt kommt gleich auch noch die Panflöte dazu). Eigentlich bin ich der Meinung, dass man Bach an jeder Orgel spielen kann, wenn nur die erforderlichen Tasten und Manuale vorhanden sind. Aber die Kirmesklänge, die es vereinzelt gab, fand ich dann doch unpassend ;)
Den ersten Satz der Triosonate d-moll hat er mir deutlich zu schnell gespielt, und den Contrapunctus 9 aus der Kunst der Fuge auch -- wobei ihm das die Gelegenheit gab zu zeigen, wie sicher und schnell er Pedal spielen kann (das verdient für sich natürlich einen Haufen Respekt!).

Orthodoxie kann ich mir als Amateur gar nicht leisten; und es steht ihm absolut frei, Bach so zu spielen, wie es ihm gefällt. Aber ich halte es da lieber mit den diversen Leuten, die in den Interviews zu ihren Aufnahmen für die niederländische Bachgesellschaft gesagt haben, dass sie finden, dass man bei Bach die Stimmen singen hören können sollte -- das habe ich da wirklich von mehreren verschiedenen Interpreten gehört, und für mich klingt es sinnvoll. Ist natürlich wie immer Geschmackssache.

Das Argument, warum er an seiner eigenen Orgel spielen will statt an den lokalen Instrumenten, verstehe ich zwar. Aber ich frage mich, ob es für Konzertorganisten nicht gerade das Reizvolle ist, auch mal andere Instrumente zu spielen (und zu hören) als die eigenen, die sie ohnehin auswändig kennen..
Ich erinnere mich, dass Olivier Latry mal im Karlsruher Orgelsommer gespielt hat, und er hat die barocke Mahler-Orgel so ins Herz geschlossen, dass er für die Zugaben extra dorthin zurück gelaufen ist (dazwischen hatte er an der großen romantischen am anderen Ende der Kirche gespielt, und seine zehntausend Schritt hatte er da vermutlich schon abgeleistet ;) ).
Klar ist es stressig und anstrengend, sich an eine fremde Orgel zu setzen und wenige Stunden (oder Tage) später direkt ein Konzert daran zu spielen. Aber solche Erlebnisse versagt sich CC dann quasi mit Absicht; und das, obwohl er mit seinen Fähigkeiten und seinem Ruf sicher jede Orgel des Planeten bespielen dürfte.


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22.02.2022 20:40 (zuletzt bearbeitet: 22.02.2022 20:54)
#17 RE: C. Carpenter und Bach
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Ich verstehe - ohne mich mit seinen musikästhetischen Vorstellungen näher befasst zu haben - C. Carpenters Orgelspiel als Annäherung an eine Hörerklientel, die man mit einer klassischen bzw. historisch basierten Interpretation von Orgelmusik nicht erreichen können würde. Bei aller äußerlichen und effekthaschenden Virtuosität stecken in seinem Spiel aber auch anerkennenswerte Musikalität und immer wieder verblüffende Hörerlebnisse - auch wenn ihre Beurteilung nicht nur mit Geschmacksachen zu tun hat, sondern historisch basiertem Interpretationswissen kaum standhalten kann. Auch wenn ich selbst eine "traditionelle" Herangehensweise an Orgelmusik praktiziere, ringt mir das immer wieder doch einen gewissen Respekt ab. Aber klar: seine Art des Musizierens polarisiert. Wie glaubwürdig und überzeugend sie ist oder nicht, wird jeder für sich entscheiden. Persönlich war es mir - ganz abgesehen davon, dass ich nicht über seine (effekthaschende) Virtuosität verfüge - immer wichtig, den Zuhörern das Instrument Orgel und seine Musik durch Erläuterungen, Einführungen, Gesprächskonzerte bzw. moderierte Orgelkonzerte nahe zu bringen.
C.C.s "Auftritte" leben sicher auch teilweise vom visuellen Effekt, wenn er sich da an seiner Gloria Hyperschallphänomenialius präsentiert. Aber ein klein wenig davon - beispielsweise mittels einer Videokamera an der Orgel und einer Leinwand unten in der Kirche - hat meiner Erfahrung nach bei den Zuhörern manchmal durchaus für mehr Verständnis gesorgt. Es ist ja nun mal oft so, dass wir "Orgelnde" dem Himmel ein Stück näher und der Gemeinde ebenso entrückt sind. Für mich selbst ist das allerdings der schönste und erfüllendste Ort, den ich mir vorstellen kann... .

LG! Martin


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22.02.2022 22:26
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#18 RE: C. Carpenter und Bach
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Zitat von Regal acht im Beitrag #16
Gestern habe ich die CD "All you need is Bach" gehört, aber ich war wirklich nicht angetan davon.

Das Argument, warum er an seiner eigenen Orgel spielen will statt an den lokalen Instrumenten, verstehe ich zwar. Aber ich frage mich, ob es für Konzertorganisten nicht gerade das Reizvolle ist, auch mal andere Instrumente zu spielen (und zu hören) als die eigenen, die sie ohnehin auswändig kennen..

Klar ist es stressig und anstrengend, sich an eine fremde Orgel zu setzen und wenige Stunden (oder Tage) später direkt ein Konzert daran zu spielen. Aber solche Erlebnisse versagt sich CC dann quasi mit Absicht; und das, obwohl er mit seinen Fähigkeiten und seinem Ruf sicher jede Orgel des Planeten bespielen dürfte.


Cameron selbst sagt dazu:
"Die stationäre Orgel ist wie ein One-Night-Stand, während ich mit der digitalen Orgel eine dauerhafte Beziehung haben kann. Mein Antrieb ist, eine großartige Orgel überall zur Verfügung zu haben."

nicht alles was hinkt ist ein Vergleich,
aber diesem (seinem) Gedanken folgend frage ich mich ob hier jemand ernsthaft laut darüber nachdenken würde warum jemand der Verheiratet ist nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit...
(ok, manche machen das wohl auch)

Ich habe wahrscheinlich eine recht gute Vorstellung davon was es bedeutet eine Orgel für die eigenen Bedürfnisse bauen zu lassen oder lassen zu können, nur dass ich nicht ganz so frei in den Entscheidungen war (Wer bezahlt bestimmt auch was bestellt wird - ob er das dann geliefert bekommt steht allerdings auf einem anderen Blatt)
und
war allerdings sehr enttäuscht als ich ihn mit dieser Orgel in der Philharmonie in Essen gehört habe
wo er für ein Stück an die Kuhn Orgel gegangen ist (Ich glaube eine Bach Triosonate)

ganz eindeutig war der Saal (mindestens fast) ausverkauft
und das Publikum bis hin zu standig ovations völlig begeistert

"Er ist Autist" (von CMP1985)
ist natürlich arg kurz gefasst (hier weiß ich nun wirklich einmal wovon ich schreibe)

"Früher hat man geglaubt, autistisch zu sein, ist wie schwanger sein: Entweder man ist es oder man ist es nicht. Aber das ist falsch. Stellen Sie sich ein Spektrum vor: Das rechte Ende steht für extrem empathisch, das linke für nicht empathisch. Menschen mit Asperger sind eher am am rechten Ende des linken Bereiches, am nicht empathischen Ende, zu verorten, aber nicht so weit links wie Menschen mit starkem Autismus." (Vera F Birkenbihl)

und hier wird es schwierig - wahrscheinlich können wir die musikalische Gedankenwelt von CC nicht nachvollziehen und daher auch nicht ergründen was er mit seinen Konzerten und Interpretationen beabsichtigt und insofern wäre es ebenfalls sehr schwierig das dann auch noch bewerten zu wollen
aber
das müssen wir auch gar nicht
ich (ebenfalls sehr stark "auf dem Spektrum") frage mich immer wieder wieso es für "normale" Menschen so schwer ist zu erkennen und zu akzeptieren, dass etwas für einen Menschen gut und richtig, genau das selbe aber für einen anderen Menschen geradezu falsch und (im schlimmsten Fall sogar) schädlich sein kann.
(es ist höchst wahrscheinlich, dass es NICHT eine einzige richtige Methode für alle Menschen gibt um zB Lesen zu lernen - leider kennen die meisten Lehrer nur eine einzige und halten diese dann für die einzig wahre...)

Zitat von CMP1985 im Beitrag #14
Für die Qualität seiner Konzerte spricht aber, dass ich nach jedem Konzertbesuch versucht habe, einige Stücke mal anders zu registrieren.


Wenn ich also aus egal was für einer Veranstaltung heraus komme und nicht das Gefühl habe hier vollkommen meine Zeit verschwendet zu haben (oder schlimmer noch, die von anderen) dann wäre das für mich schon ein sehr lohnender Besuch gewesen...

auch aus etwas das einem nicht gefällt könnte Mann doch was lernen

LG oliver


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22.02.2022 22:51
#19 RE: C. Carpenter und Bach
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Also ich für mein Teil habe überhaupt kein Problem, wenn Musiker irgendwo auf diesem Spektrum liegen. Ich liebe z.B. Glenn Goulds Bach-Spiel, und das ist ja manchmal auch ziemlich eigenwillig (z.B. das affektierte staccato). Natürlich ist das anders gelagert; Gould wollte glaube ich niemanden unterhalten. Dafür hört es sich an, als ob Bach persönlich mit ihm spricht.

Dass CC breitere Schichten für alte Musik begeistern kann, ist auf jeden Fall löblich!
Und ich hatte unterschlagen, dass ich auch von der CD was mitgenommen habe: in besagtem Contrapunctus habe ich nämlich endlich mal deutlich das Hauptthema raus hören können (augmentiert; die ganzen Noten verklingen auf der gezupften Saite wohl zu schnell). Jetzt werde ich beim Spielen mehr darauf achten; das CD-Hören hat sich also trotzdem gelohnt =)


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23.02.2022 14:57
#20 RE: C. Carpenter und Bach
cl

... etwas, was es nicht zu unterschätzen gilt: CC zieht sehr viel auch sehr junges Publikum in seine Konzerte. Das konnte ich bei mehreren Lifekonzerten von ihm in der Vergangenheit beobachten. Wenn er mit seinen Interpretationen noch junge Menschen anfixt, das Orgelspiel zu selbst zu erlernen, dann ist es doch um die Zukunft des Orgelspiels sicher etwas besser bestellt

Liebe Grüße vom Clemens

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23.02.2022 15:43
#21 RE: C. Carpenter und Bach
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Zitat von clemens-cgn im Beitrag #20
Wenn er mit seinen Interpretationen noch junge Menschen anfixt, das Orgelspiel zu selbst zu erlernen, dann ist es doch um die Zukunft des Orgelspiels sicher etwas besser bestellt

Angefixt werden, sich für etwas begeistern und dem nacheifern wollen ist die eine Seite. Ob es dabei bleibt und ob man eine gewisse Konstanz an den Tag legt ist die andere Seite der Medaille. Aber immerhin, man sollte die Hoffnung nicht aufgeben.

Ich selber stehe CC recht zwiespältig gegenüber. Manches von ihm gefällt mir, manches nicht und ich fürchte, es ist gerade das, was das junge Publikum begeistert, was mir überwiegend nicht gefällt. Mit Neuem und Anderem habe ich keinerlei Berührungsängste, daran wird es sicher nicht liegen und auch spieltechnisch ist er wohl über jeden Zweifel erhaben. Dennoch habe ich bei ihm immer ein grosses Aber im Kopf. Ist wohl nicht zu ändern.

Liebe Grüsse, Mike


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