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Fragen zu Harmonium
Hallo,
ja, bei eBay-Kleinanzeigen findet man immer viele solche "Dekostücke", wie manche Inserenten schreiben. Leider sind das oft Erben oder andere Leute, die gar keine Ahnung davon haben, was ein Harmonium ist. Fragen nach grundlegender Funktion oder nach Fehlern bekommt man nicht beantwortet, solche nach Zustand des Balgs, Registern, Anzahl der Spiele etc. schon gar nicht.
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
Ich hatte mir mal von einem Restaurator vorrechnen lassen, daß eine Balgreparatur bei einem Saugwindinstrument, daß die gängigen "Zustandsmerkmale" nach länger unterlassener Pflege, Standort in Kellern oder feuchten Räumen aufweist, so um die 5.000 € kosten würde. Dazu kämen dann noch der Austausch korrodierter Metallteile, mottenzerfressener Filze, usw...
Also: Ein teurer "Spaß"!
#21 RE: Fragen zu Harmonium
Ich weiß nicht, ob diese Zahl heute noch stimmt, aber vor ein paar Jahren sagte mir ein befreundeter OBM, dass er pro Arbeitstag 500 € Personalkosten rechne. D.h. bei 5 T€ 10 Arbeitstage = zwei Wochen. Das scheint mir doch etwas hochgegriffen.
1 Tag für's Zerlegen
1 Tag für's Ausreinigen
1 Tag für das Ablösen des Dichtpapiers und Aufleimen des neuen Papiers
1 Tag Trocknung, wärenddessen kleine Reparaturen an den übrigen Teilen
1 Tag Durchsicht der Zungen und Stöcke, Entfernung von Fremdpartikeln, ggf. Ersatz von Filzen
1 Tag Überprüfung und Neujustierung der Mechanik
1 Tag für den Zusammenbau
Da wäre ich bei 3,5 T€. 5 T€ wäre mir schlicht zuviel.
Ich hab' selber mal ein vierspieliges Harmonium hergerichtet. Gut, die Bälge waren in Ordnung, nur die Zugriemen mussten durch Rolladenband ersetzt werden. Alle Filze waren zerbröselt und die Lagerdocken für einen Fortezug waren gebrochen, so dass ich sie aus Buchenholzwürfeln neu fräsen und einpassen musste. Dann noch alles mit Luftdruck durchgeblasen und mit dem Borstenpinsel sorgfältig entstaubt. Dafür habe ich drei Tage gebraucht.
Gut, ich konnte auf den Maschinenpark eines befreundeten Schreiners zurückgreifen.
LG
Michael
Tja, das ich als Nichtfachmann natürlich nicht beantworten, ob diese Zahl 5.000 € wirklich gerechtfertigt erscheint.
Aber selbst 3.500 € wären mir dafür auch noch zuviel.
Und wieder einmal zeigt es sich: Wohl dem, der über ein gewisses handwerkliches Geschick verfügt und viel selbst machen kann! Noch besser, wenn er dann noch auf evtl. erforderlichen Maschinen zurückgreifen kann.
Was man wissen muß: Bei Harmonien kann es immer wieder einmal vorkommen, daß einzelne Töne aussetzen, weil irgendwelcher Staub die Luftzufuhr für die Zungen verstopft usw. Also: Harmonium von der Wand, Gehäuse auf, ran an die Lade, bei Saugwind die Kanzelle mit der verstopften Zunge suchen, Zungenzieher her, Zunge herausziehen und durchblasen, mit dem Zungenschieber wieder hinein in die Kanzelle, Gehäuse wieder zusammenschrauben, Harmonium zurück an die Wand.
Kenne ich alles und kann ganz schön nervig werden.
Aus diesem Grunde hatte bzw. habe ich alle Harmonien bei mir mit gut laufenden Rollen versehen...😉
Hallo,
Zitat von Canticus im Beitrag #22
Tja, das ich als Nichtfachmann natürlich nicht beantworten, ob diese Zahl 5.000 € wirklich gerechtfertigt erscheint.
Mir erscheint sie auch etwas hoch, allerdings entsprechen 500 Euro Tagessatz einer verrechneten Handwerkerstunde von 62,50 Euro. Das erscheint mir jetzt nicht so unrealistisch.
Zitat von Canticus im Beitrag #22
Und wieder einmal zeigt es sich: Wohl dem, der über ein gewisses handwerkliches Geschick verfügt und viel selbst machen kann! Noch besser, wenn er dann noch auf evtl. erforderlichen Maschinen zurückgreifen kann.
Beim Orgelbauer hier vor Ort kann man gerne mithelfen. Das kann die Kosten deutlich reduzieren helfen. Auch bei der Orgelausreinigung haben ich und der Kantor beim Ein- und Ausbau der Pfeifen und auch beim Reinigen und Polieren mitgeholfen. Wir wurden eingewiesen und dann gings los*. Insbesondere bei den Pedalregistern und dem Prinzipal im Prospekt konnte da viel Zeit gespart werden, weil 2 Zweier-Teams statt nur einem werkeln konnten.
Zitat von Canticus im Beitrag #22
Was man wissen muß: Bei Harmonien kann es immer wieder einmal vorkommen, daß einzelne Töne aussetzen, weil irgendwelcher Staub die Luftzufuhr für die Zungen verstopft usw. Also: Harmonium von der Wand, Gehäuse auf, ran an die Lade, bei Saugwind die Kanzelle mit der verstopften Zunge suchen, Zungenzieher her, Zunge herausziehen und durchblasen, mit dem Zungenschieber wieder hinein in die Kanzelle, Gehäuse wieder zusammenschrauben, Harmonium zurück an die Wand.
Ja,ja, bei mir steckt gerade im fis' (leider nicht im gis'') der Melodia/Concertflöte 8' ein Staubkörnchen...
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
* Der Orgelbauer bietet auch Instrumentenbaukurse an (Clavicord, Portativ, Spinettino). Abgesehen vom zusätzlichen Geschäftsfeld macht es ihm anscheinend Spaß, anderen etwas beizubringen.
Ich hatte mal ein Lindholm-Harmonium mit Quintzimbel und Oktavzimbel. Es hatte einen silbrigen, sehr orgelnahen Klang. Die Rückwand war als Schwelljalousie ausgestaltet und ließ sich über Kniedrücker öffnen. Durch die Verwendung der breiten Mensur für die Zungen des 8'-Registers war der Klang sehr tragfähig.
Für eine Zeit hatte ich es als Chororgel in der Kirche.
Ja, sehr teuer ist das fachgerechte Restaurieren der Bälge. Eine Arbeit, die vom Aufwand her nicht zu unterschätzen ist und schnell mal um die 800,00 Euro kosten kann. Dann kommt der "Rest" noch hinzu.
Ich habe ein zweimanualiges Dominion Harmonium aus Ontario, Baujahr ca. 1920. Es war gut restauriert und kostete 1500,00 Euro.
Es ist ein Genuss, darauf zu spielen.
Die Ausdrucksmöglichkeiten durch die Trettechnik der Bälge sind schon faszinierend. Der Subbass 16' ist ein Erlebnis.
Dann die richtige Musik ausgewählt und der Abend ist gerettet. Es ist halt ein Saloninstrument und nicht in erster Linie Orgelersatz.
Dadurch ist es erst zu seinem schlechten Ruf gekommen. Richtige Harmoniumliteratur hat mit Psalmenpumpe nämlich nichts zu tun.
Eine lohnende Beschäftigung, mal etwas abseits vom Kirchendienst.
Die Zimbeln sind einchörig, repetieren in jeder Oktave und ergeben zusammen eine schöne Mixtur. In den Niederlanden gibt es häufiger Instrumente mit Quinte 2 2/3' und auch Sesquialter.
Die Stärke dieser Instrumente ist aber vor allem die Schattierung bei den Grundstimmen.
Eine schwebende Vox angelica mit schöner Trettechnik macht schon einen tollen Klangteppich. Und das bei einem Saugluftharmonium. Bei Druckwind geht ja noch viel mehr.
Im Stift Göttweig hat man eine Physharmonika beim Orchester die Bläserstimmen spielen lassen und zwar nicht nur beim Gottesdienst, sondern gerade auch bei außerliturgischen Aufführungen.
Die Verwendung des Harmoniums wird häufig unterschätzt. Ich habe gestern spaßeshalber auf meinem Dominion mal einen Tango angespielt. Wirklich prickelnd.
Es ist halt ein eigenständiges Instrument und nur bedingt ein Ersatz für die Orgel.
Obwohl viele Zungenintonateure, gerade bei Hofberg, Lindholm, Mannborg etc. da schon tolles geleistet haben, eben auch bedingt durch die vielen Zerstörungen der Orgeln im Krieg.
In USA und Kanada war die Entwicklung sowieso anders.
Insgesamt ein spannendes Thema.
Mal was zum Schmunzeln über das Thema aus Wilhelm Riehm: Das Harmonium in seiner Construction und Behandlung, Basel/Ludwigsburg, 1868, p. 19:
Was vielen Harmoniumbesitzern für den Anfang die Kenntniß und das Verständniß ihres Instrumentes erschwert, ja unmöglich macht, ist der Umstand, daß sie dasselbe nicht gehörig zu öffnen und in seine Einzelteile zu zerlegen verstehen. Der einfachste Rath ist: Kaufe kein Instrument, weder aus erster noch aus zweiter und dritter Hand, ohne dir es zugleich zur eigenen Anschauung öffnen und zerlegen zu lassen. Du weißt dann, wie leicht und einfach das jederzeit von dir selbst geschehen kann, falls es nöthig ist; denn allerdings, zum Zeitvertreib thut man dies nicht, weil sich Schrauben und Federn eher abnützen, überhaupt das sonst so wohl verschlossene Innere des Instrumentes nicht ohne Noth äußeren Einflüssen ausgesetzt zu werden braucht. Du bedarfst zu diesem Geschäft außer einiger Vorsicht weiter Nichts, als eines etwas scharf geschliffenen Schraubenziehers und allenfalls einer Beißzange.
Wohlauf, wohlan...
Zitat von UlrichDu im Beitrag #28
Es ist halt ein eigenständiges Instrument und nur bedingt ein Ersatz für die Orgel.
Und ein schönes Instrument noch dazu. Ich finde es sehr schade, dass Harmonien nur noch antiquarisch zu erwerben sind und nicht mehr gebaut werden... Sollte ich einmal mehr Platz zuhause haben, überlege ich immer noch, das sperrige "Estey" dem Altenheim abzukaufen.
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