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Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Liebe Musiker Kollegen,
vielleicht kann einer von Euch Profis mir einfachem Nebenamtlichen einen Tipp geben:
Wenn ich auf meiner Gloria Concerto 350 Bach Musik historisch möglichst exakt spielen möchte:
Welche Stimmung der vielen mitgelieferten würdet Ihr wählen?
Auf wieviel Hz würdet Ihr den Kammerton stellen?
Also mit welcher Wahl dieser beiden Parameter kommt man möglichst nah an ein historisch vertretbares Klangbild heran?
Als Intonation würde ich die entweder von Viscount gelieferte "Barock" Intonation wählen, oder die von Aeoline zur Verfügung gestellte Bosch/Schnitger Intonation. Bin aber auch in dieser Richtung für Tipps offen und dankbar.
Vielen Dank schon vorab für Euren sicher hilfreichen Input.
Beste Grüße
Stephan
#2 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Hallo Stephan,
für Deine Frage gibt es leider nicht DIE Antwort.
Allein das Problem der Stimmtonhöhe ist so different....
Mit Werckmeister III kommt man schon ziemlich weit. Die Charaktere der einzelnen Tonarten bleibt zu einem Großteil erhalten. Frühwerk Bachs geht teilweise sogar Mitteltönig.
Gute Näherungswerte erhälst Du, wenn Du Instrumente zur Orientierung wählst, an denen Bach dran war (bezüglich Stimmton und Temperatur).
Und immer bedenken: Die Temperatur hat stets klanglichen Einfluß auf die Intonation.
Obwohl ich kein Profi bin, kann Folgendes hilfreich sein.
Vielleicht ist die Website von Bradley Lehman interessant für dich. Er erzählt ein eigenen Stimmung. Leider nur in Englisch. Und complexes Material.
Lehman ist nicht unbestritten aber er zeigt hier wieviel "Bach temperaments" bereits vorgeschlagen werden. Clemens hat recht, DIE Bachstimmung besteht nicht.
PS1: Hier wird Clemens' Ansicht von Werckmeister III bestätigt.
PS2: die Bosch/Schnitger Intonation wurde hauptsächlich für Werckmeister 3 auf normaler Tonhöhe gedacht - letzteres ist nicht authentisch, aber das Anpassen der Tonhöhe bei jedem Start war für mich zu mühsam.
LG PM
Unda Maris
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gelöscht
)
#4 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Es-Dur in Werckmeister III „geht gar nicht“, Härten in Terzen ohne Ende. Ich denke, daß JSB an dieser Stimmung keine Freude gehabt hätte. Die Herbst-Orgel der Schlosskirche Lahm im Itzgrund (bei Coburg) hat eine Stimmung nach Neithardt, ebenso die Martinikerk/Groningen (Legung durch OB Ahrendt) sowie die Trost-Orgel in Altenburg. Im Studium konnte ich im Rahmen eines Seminars die Lahmer-Orgel bespielen. Kurz und gut — für Bach perfekt! Bach disponierte dieses Instrument selbst, neben der Trost-Orgel, eine der wenigen, von der es nachweisbar ist. Die Trost-Orgel in Altenburg und die Herbst-Orgel dürften somit, gerade wegen ihrer Originalstimmung und Bachs verbriefter Mitwirkung bei Planung und Abnahme, dadurch als die Orgeln mit DER Bach-Stimmung gelten. Bach war von den Instrumenten Silbermann übrigens nicht zu 100% überzeugt, was wohl weniger in der klanglichen Qualität begründet war, sondern eher in Silbermanns starren Ansichten zur s.g. Wohltemperierten Stimmung. Die Ausführungen des amerikanischen Musikwissenschaftlers Lehman sind recht faszinierend, jedoch nach wie vor nicht zu 100% wissenschaftlich bestätigt. Der Unterschied zwischen Neithard und einer Stimmung modifiziert mitteltönig (1/5-syntonisches Komma) sind „gefühlt“ nahezu identisch. Jacobi-Hamburg ist so eingestimmt (OB Ahrendt). Alles in allem, eine Wissenschaft für sich, an der am Ende immer der „bon gout“ entscheidet.
#5 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Zitat von Unda Maris im Beitrag #4
Es-Dur in Werckmeister III „geht gar nicht“, Härten in Terzen ohne Ende.
wenn Du Deine Aussage auf a= 440 hz beziehst, hast Du recht.
Ich habe ja auch nicht behauptet, daß auf Werkmeister III alles ginge. (mehr als zwei Vorzeichen sind auf alten Stimmungen ja gerne heikel).
Meine Aussagen bezogen sich auf die Frage des Eingangspostings. Ich kann nur mitlernen, wenn Du dem Frager, nach einer Realisierungsmöglichkeit auf seiner Concerto 350 eine dort praktikable Lösung nach "Kochrezept" mit Viscountschen Bordmitteln präsentierst.
Auf einer Ahlborn ab Hymnus, legte ich mir meine Bachstimmung selbst. Viscount bietet diese Möglichkeit meines Wissens nicht.
Unda Maris
(
gelöscht
)
#6 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
#7 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Zitat von clemens-cgn im Beitrag #5
Auf einer Ahlborn ab Hymnus, legte ich mir meine Bachstimmung selbst. Viscount bietet diese Möglichkeit meines Wissens nicht.
Ich Glaube auch Viscount bietet diese Möglichkeit, seihe es nicht ganz exact mit Schritten von 0,5 Cent. Knipsel.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Bitte corrigiere wen ich mich irre.
Zitat von clemens-cgn im Beitrag #5
wenn Du Deine Aussage auf a= 440 hz beziehst, hast Du recht.
Das verstehe ich (noch?) nicht.
Wenn eine Stimmung bestimmte "Abstände" zwischen den Halbtönen einer Oktave definiert, dann müsste es doch eigentlich egal sein, welche Höhe der Kammerton hat, oder? Jene Abstände werden ja quasi "proportional" mit dem Kammerton mitverschoben, sodass Wölfe auch bei 442 Hz oder 416 Hz ordentlich heulen?
Ist meine Annahme falsch?
Hallo,
das kann man an einer Digitalorgel doch leicht ausprobieren: Alternative Stimmung wählen und den Kammerton bzw. doe Tonhöhe verstellen.
Ok, können Katholiken natürlich erst ab Sonntag ausprobieren, wenn ihre Orgeln wieder da sind... ;-)
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.
#10 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Einige Orgelbauer verwenden bei Neubauten barockisierenden Charakters oder bei Rekonstruktionen gern die sog. Bach/Kellner-Stimmung.
http://www.walcker-stiftung.de/Downloads...ahrhunderts.pdf
Sie wurde 1977 von einem Klavierstimmer namens Kellner als "wohltemperierte" Stimmungsvariante entwickelt und sogar zum Patent angemeldet.
Mir gefällt sie für Bachs Musik gut. Wiewohl ich keinen Hehl daraus mache, dass ich die Debatten um Werckmeister III, Valotti e tutti quanti für bestenfalls akademischer Natur halte. Ich verwende die diversen Temperierungen meiner Digitalinstrumente lediglich, um einem interessierten Hörer die Unterschiede ad aures zu führen. Dabei spiele ich eine Fis-Dur-Kadenz, zum Vergleich dann dasselbe in G-Dur und wechsle zwischen "mitteltönig" und "gleichstufig". Und selbst dieses Extrem hören nicht alle ...
LG und geruhsamen Feiertag
Michael
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #10
Wiewohl ich keinen Hehl daraus mache, dass ich die Debatten um Werckmeister III, Valotti e tutti quanti für bestenfalls akademischer Natur halte. Ich verwende die diversen Temperierungen meiner Digitalinstrumente lediglich, um einem interessierten Hörer die Unterschiede ad aures zu führen.
Spielst du also vorrangig in der gleichstufigen Stimmung?
#12 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Jo.
Buxtehudes fis-moll-Präludium z.B. kann ich in ungleich schwebenden Stimmungen nix abgewinnen. Ich habe noch eine LP-Kassette mit einer Gesamteinspielung an der (unrestaurierten) Lübecker "Totentanz"-Orgel vom damaligen Hausherrn Walter Kraft. Musikalisch hochinteressant, klanglicher Megagrusel. Alles mit mehr als zwei Vorzeichen klingt nicht "herb", sondern einfach "daneben". Eine Essigdusche für die Ohren.
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #12
Alles mit mehr als zwei Vorzeichen klingt nicht "herb", sondern einfach "daneben". Eine Essigdusche für die Ohren.
Ein schönes Wortspiel, das den Nagel auf den Kopf trifft.
Umso mehr ist es eine Zumutung, wenn bei Gemeindeorgeln so etwas "reinrestauriert" wird, weil das ja so toll und so authentisch sei. Gerade beim Improvisieren eine Tortur, wenn man mal "falsch abbiegt". Der arme Organist...
VG
Stephan
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #12Vielleicht war die originale tonalität ein andere. Ich habe eine LP von Harald Vogel mit das gesamtwerk von Lübeck (Stade St Cormae) und er spielt die E-dur in C-dur. Vielleicht gilt das auch für Dieterichs fis-moll. Allerdings sagt Vogel, er könne nicht beweisen, nur vermuten.
Buxtehudes Fis-Dur-Präludium z.B. kann ich in ungleich schwebenden Stimmungen nix abgewinnen.
LG PM
#15 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Vogel hat seinerzeit transponiert. .... wenn man mit mehr als zwei Vorzeichen auf alten Temperaturen spielen will, dann kommt man, um einer mentalen Gehörschädigung zuvor zu kommen, um eine Transposition (ggfs- mit dem Transpositeur) selbst beim Bachschen ES-Dur kaum herum. Selbst wenn das für viele ein schweres Sakrileg ist .
@ An den Frager des Eingangsposting: Bei meiner Antwort war mir die auf Deiner Concerto 350 vorhandene Kellnerstimmung völlig entgangen.
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