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Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
An Buxtehudes fis-moll verzweifeln selbst die historischsten Historiker und können es wenig schlüssig erklären. Auf Hauptwerk Zwolle in Neithardt geht‘s aber (empfinde ich so). Vielleicht hat der Diederich es aber auch einfach nur in F gespielt und dachte sich, ganz in die Zukunft gedacht: Vielleicht können es die Organisti ja zukünftig in Fis spielen, schreibe ich mal so auf.
Günther Ramin ließ Motetten alter Meister grundsätzlich in Fis statt in F singen. Es gibt sogar einige Notenausgaben von ihm, natürlich in Fis! Fis-Dur hat damit ja ein wenig was von „Angeber“ — ich darf an die F-Dur Toccata in der Fis-Interpretation von Cameron C. erinnern.
Ein in Fis-Dur notiertes Werk läßt sich bekanntlich ohne große Probleme in F-Dur spielen, andersherum schon etwas sportlicher. Weil auf F auch die lydische Tonart steht, ist es auf F immer femininer, irgendwie — weihnachtlicher. Auch ist zu berücksichtigen, daß es selbst zu Bachzeiten noch keine einheitliche Stimmtonhöhe gab. Die Hauptorgeln standen meist deutlich höher (490 hz und so) um Material bei den tiefsten Pfeifen zu sparen. Die Chororgeln standen entsprechend deutlich tiefer im Chorton (der ebenfalls fröhlich von Provinz zu Provinz variierte). Da kam Stimmung auf mit der Stimmung.
Liebe Musikfreunde....
herzlichen Dank für Eure hilfreichen Einschätzungen.
Ich habe mich jetzt für eine Variante entschieden und ein österliches Werk von Bach eingespielt.
Werde es zum Ostersonntag auf YouTube laden und hier verlinken.
Bin dann auf Eure Einschätzungen gespannt, sowohl was Interpretation als auch Intonation angeht ;)
Beste Grüße und ein besinnliches Osterwochende!
Stephan
Zitat von Unda Maris im Beitrag #16Von fis (moll) nach F (dur) einfach? Das glaude ich nicht.
Vielleicht hat der Diederich es aber auch einfach nur in F gespielt und dachte sich, ganz in die Zukunft gedacht: Vielleicht können es die Organisti ja zukünftig in Fis spielen, schreibe ich mal so auf.(....) Die Hauptorgeln standen meist deutlich höher (490 hz und so)
Vielleicht war es anders:
1. Buxies Orgel stand auf 490Hz und in Werckmeisterstimmung, und hat er die fis-moll original in e-moll geschrieben.
2. Die Orgel der Kopiist stand auf 435Hz oder so was, und hat eine 'Bachstimmung' á la Wohltemperierte Klavier. Dan geht es in fis.
3, Zusätzliches Argument: e-moll ist ein "dramatische" Tonalität , und der fis moll ist definitiv ein dramatisches Stück.
Mattheson: "e-moll kan wol schwerlich was lustiges beygeleget werden / man mache es auch wie man wolle / weil er sehr PENSIF, tieffdenckend / betrübt und traurig zu machen pfleget / doch so / daß man sich noch dabey zu trösten hoffet. Etwas hurtiges mag wol daraus gesetzet werden / aber das ist darum nicht gleich lustig". Siehe hierIch denke, das passt genau zum fis moll.
Selbstverständlich reine Spekulatismus aber nicht unmöglich, oder?
LG PM
#20 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Zitat von Unda Maris im Beitrag #16
Ein in Fis-Dur notiertes Werk läßt sich bekanntlich ohne große Probleme in F-Dur spielen, andersherum schon etwas sportlicher.
Es war ja nicht unüblich, sich Stücke in andere Tonarten umzuschreiben, sei es nun, weil die Temperatur nicht passte oder der Manual-/Pedalumfang. Von BWV 549 findet sich ja auch eine Variante in d im Anhang. Ganz zu schweigen von BWV 566 - das m.E. in C erheblich majestätischer klingt als in E. (Abgesehen davon, dass es in C einfach besser in den Fingern liegt ... )
Was ist nun "authentisch"? Wie pflegte mein Exegese-Prof. immer zu sagen: "Nix G'nau's woaß mer net ..."
Auf einer gleichstufig oder moderat ungleichstufig temperierten Orgel ist es eh' wurscht. Das meinte ich mit dem "akademischen" Anstrich einer solchen Diskussion.
Erst die DO mit zwölf und mehr serienmäßigen Temperaturen auf Knopfdruck hat es ja technisch möglich gemacht, solche Vorstellungen überhaupt zu realisieren - sofern man keine Denkmalorgel in der Kirche hat, die älter als 250 Jahre ist.
LG
Michael
Das Problem ist ja recht alt. Es gab auch schon Versuche, eine Bach-Stimmung aus den Zeichnungen auf dem Titel des WTC rekonstruieren zu wollen. Kellner-Bach ist ein ganz gut gelungener Versuch, aus der Verwendung der Tonarten eine brauchbare STimmung zu entwickeln.
Ein paar Kommentare zu gängigen Stimmungen (völlig subjektiv):
Neidhardt - gibt es in verschiedenen Varianten: für ein Dorf, eine kleine und eine große Stadt, for den Hof. Er geht dabei davon aus, dass der Dorforganist nur in wenigen Tonarten spielt, der Hoforganist allerdings heftig moduliert. Allesamt schön und brauchbar. Ich habe einige Male für ein Dorf legen lassen, klappt super. Die Hofstimmung ist annähernd gleichschwebend. Um die Verwirrung komplett werden zu lassen, hat N. die Stimmungen überarbeitet. Dabei sind sie tatsächlich nicht milder, sondern schärfer geworden. Man müsste also um ganz genau zu sein das Datum wissen.
Werkmeister 3 - Brauchbar, ich fand F-Dur immer besser als G. Allerdings gibt es die These, es könnte eine low-budget-Stimmung gewesen sein, da man beim Umstimmen einer mitteltönigen Orgel auf W. 3 nicht jede Pfeife anfassen muss.
Valotti - wird von C-Dur aus symmetrisch schlechter. Ein bisschen fade, aber man macht nichts falsch. So stimme ich das Cembalo, wenn ich eine Universalstimmung brauche.
Kirnberger - eher nicht, war in den 80ern mal modern. Da gab es schon zu seinen Lebzeiten Kritik. Die Quinte d-a ist nix dolles. D-moll eher unangenehm. Das ist bei barocker Musik ungünstig. Wenn man mit Streichern spielt, werden die Kollegen wahnsinnig, weil schon die leeren Saiten nicht stimmen.
Pieter van Dijk sagte mir letztes Jahr, er sei kein unbedingter Freund dieser Stimmungen, denn die Geschichte der Orgeln in den Niederlanden zeige, dass man sehr lange mitteltönig gestimmt habe, dann aber sofort gleichschwebend. Eine überzeugende Argumentation, dass solchen Stimmungen historisch wenig Bedeutung zukam. Für Bach würde ich sehr nah an gleichschwebend gehen.
Grüße
Axel
#24 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
#25 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Zitat von PM im Beitrag #7
Ich Glaube auch Viscount bietet diese Möglichkeit, seihe es nicht ganz exact mit Schritten von 0,5 Cent.
Genau, dies ist seit Physis 1.13.1 möglich. Aufgrund der Schrittweite von 0,5 Cent ist man leider zum Auf- und Abrunden gezwungen. Ich glaube, irgendwo im Forum habe ich das mal für die Norder Stimmung aufgeschrieben.
#26 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Auf meiner Sampling-basierten Gloria Optimus 347 sind folgende Stimmungssysteme vorhanden, die sich auch bei einer Tonhöhenverstellung um 1 Cent nicht verändern:
Werckmeister III, IV und V, Kirnberger II und III, Pythagoreisch, Meantone 3 und 3M, Vallotti,Chaumont, Kellner 1975, Silbermann, Zarlino, Sauveur b1 und 2 sowie Barca. Neidhardt ist leider nicht vertreten.
Daher kann ich die verschiedenen Temperierungen gut vergleichen. Die hier teilweise geäußerten Verdammungsurteile über historische Stimmungen und insbesondere über Kirnberger III kann ich nicht nachvollziehen. Bei Musik bis zum frühen Bach klingt Kirnberger III bei Tonarten bis zwei Vorzeichen deutlich sauberer, und selbst bei drei # oder b ist das klangliche Ergebnis spannungsreich, aber die Tonartencharakteristik treffend. Bei Kreuztonarten bevorzuge ich Kirnberger III, ansonsten bei B-Tonarten eher Werckmeister. Und Sweelinck klingt mitteltönig augeführt eindeutig besser.
Ich bin musikalisch aufgewachsenen mit gleichstufig gestimmten Instrumenten. Erst nach eingehender Beschäftigung mit dieser Thematik fand ich Geschmack daran.
Viele Grüße,
Willi
#27 RE: Historisch exakteste Stimmung für Bach Musik
Zitat von trompetendulzian im Beitrag #25
Ich glaube, irgendwo im Forum habe ich das mal für die Norder Stimmung aufgeschrieben.
Gefunden. Hier geht's zur Ahrend-Stimmung in St. Cosmae Stade mit Viscount-Rundung. Dort ist auch die Quelle zur Norder Stimmung hinterlegt.
Hier vielleicht die "ELWS"
Cooles Teil
https://www.youtube.com/watch?v=Zd9Pl4ox0iM
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