Betonung von Zählzeiten

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21.05.2024 12:05
#1 Betonung von Zählzeiten
ma

Moin,
ich habe zwei Meinungen von Kirchenmusikern bzgl. der Betonung von Zählzeiten gehört bzw. wurden versucht mir zu vermitteln.

1. Auf der Orgel wird nicht betont. Technisch ist es nicht möglich lauter zu spielen und alle anderen Optionen fallen raus.
2. Die letzte unbetonte Note vor der Betonten wird um 1/16tel oder noch weniger kürzer gespielt und die Betonte um 1/16 länger.

Dagegen spricht für mich, dass Gesang etc. dies nicht tut und somit die Tonlänge auf unterschiedlichen "Instrumenten" unterschiedlich lang wäre.

Was ist eure Meinung bzw. die Lehrmeinung?


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21.05.2024 15:44 (zuletzt bearbeitet: 21.05.2024 15:52)
#2 RE: Betonung von Zählzeiten
cl

Dieser Artikel von Armin Schoof könnte ein wenig zur Erhellung ins Dunkel der Unwissenheit beitragen ;-).

Liebe Grüße vom Clemens

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22.05.2024 06:34
avatar  Axel
#3 RE: Betonung von Zählzeiten
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Leider sind beide Thesen falsch.

Man müsste anders vorgehen.
Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen barocker und romantischer Musik. Letztere wird im Grundanschlag legato gespielt, erstere zunächst einmal non-legato.

Wenn man sich mit romantischter Betonungs- und Phrasierungslehre befasst, sollte man von Max Reger das einzeln stehende "Komm süßer Tod" spielen, dass genau bezeichnet ist. Da "denkt" man die Betonungen tatsächlich mehr mit, als man sie spielt.

Bei barocker Musik lassen sich Betonungen so darstellen, dass man innerhalb des non-legato eben den "klingenden" Anteil der Note länger macht und den "Pausenanteil" kürzer. Trotzdem muss es cantabel klingen.

In jedem Fall hört man aber, wenn jemand mit falsch empfundenen Schwerpunkten spielt.


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22.05.2024 13:45
#4 RE: Betonung von Zählzeiten
cl

Zitat
In jedem Fall hört man aber, wenn jemand mit falsch empfundenen Schwerpunkten spielt.


Und dagegen hilft im Ernstfall dann qualifizierter Unterricht, bei adäquater Bezahlung ;-).

Liebe Grüße vom Clemens

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22.05.2024 14:48
avatar  Axel
#5 RE: Betonung von Zählzeiten
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Zitat von clemens-cgn im Beitrag #4

Zitat
In jedem Fall hört man aber, wenn jemand mit falsch empfundenen Schwerpunkten spielt.

Und dagegen hilft im Ernstfall dann qualifizierter Unterricht, bei adäquater Bezahlung ;-).



Richtig!

Wenn man sich mit der Artikulation barocker Musik befassen will, könnte man als Einstieg lesen: Paul Heuser, Das Clavierspiel der Bach-Zeit, Schott

Die Sache ist halt komplexer, als dass man sie hier mit 2 Sätzen abhandeln könnte. Bei einer guten mechanischen Orgel hört man immer, wenn etwas mit den Taktakzenten nicht stimmt. Da geht halt nichts über ( guten!) Unterricht und einen Lehrer, der das überzeugend vorspielen kann.


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22.05.2024 17:18
#6 RE: Betonung von Zählzeiten
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selbstaufnahmen helfen denke ich auch.

es gibt ja noch die schritte zwischen hören beim lehrer und herausfinden, wie es gemacht wurde und es dann umzusetzen. erfahrungsgemäß können lehrer es super vormachen, aber die verbalisierung des vorgehens ist generell schwierig und die selbsteinschätzung beim spielen fällt zumindest mir auch schwer (hört man überhaupt einen unterschied? oder ist gar alles nun ein hum-ta-ta-marsch? ;-) )


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22.05.2024 18:15
#7 RE: Betonung von Zählzeiten
cl

Also die Orgel muß nicht zwangsläufig mechanisch sein, um Artikulation sauber zu reproduzieren. Mit einer gepflegten Anschlags- und Hörkultur geht das auch pneumatisch, via Barker Hebel, elektrisch, elektronisch....

Liebe Grüße vom Clemens

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22.05.2024 18:35 (zuletzt bearbeitet: 22.05.2024 19:30)
avatar  SJL
#8 RE: Betonung von Zählzeiten
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SJL

Ein "perfekter Lehrer" wäre natürlich immer das Optimum. Aber auch anderen (guten) Organisten aufmerksam zuzuhören, bildet enorm weiter. Zusätzlich zu den klassischen Gelegenheiten wie Konzerte und Gottesdienste bietet Youtube einen nahezu unerschöpflichen Fundus an Interpretationsbeispielen, gerade wenn es um halbwegs gängige Werke geht. Wenn man sich da die richtigen Vorbilder sucht, kann man sich mit wenig Aufwand eine Menge Inspiration holen.

VG
Stephan


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23.05.2024 22:45
avatar  Axel
#9 RE: Betonung von Zählzeiten
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Zitat von 2nd_astronaut im Beitrag #6
selbstaufnahmen helfen denke ich auch.

es gibt ja noch die schritte zwischen hören beim lehrer und herausfinden, wie es gemacht wurde und es dann umzusetzen. erfahrungsgemäß können lehrer es super vormachen, aber die verbalisierung des vorgehens ist generell schwierig und die selbsteinschätzung beim spielen fällt zumindest mir auch schwer (hört man überhaupt einen unterschied? oder ist gar alles nun ein hum-ta-ta-marsch? ;-) )


Das dürfte eine Frage des Lerntyps sein. Ist jede Verbalisierung wirklich hilfreich? Ich finde es effektiver, wenn weniger geredet wird und damit auch zerredet wird.


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23.05.2024 23:22
avatar  Mixtura
#10 RE: Betonung von Zählzeiten
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Zuhören, Nachempfinden wäre meine Idee dazu. Und innerlich mitsingen
Bei 4-St. (oder allg.mehrstimmigem ) Sätzen mal jede Stimme singen


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24.05.2024 07:38
#11 RE: Betonung von Zählzeiten
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Zitat von 2nd_astronaut im Beitrag #6
(hört man überhaupt einen unterschied? oder ist gar alles nun ein hum-ta-ta-marsch? ;-) )

Gerade bei Kavallerie-Märschen gibt es doch ein extrem breites Artikulationsspektrum. Die einen spielen die Dreiergruppen nahezu mathematisch exakt, die anderen dehnen sie so weit auf, dass eine Zweiergruppe daraus wird; und irgendwo dazwischen liegt für die meisten die Wahrheit einer schönen und authentischen Interpretation.


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24.05.2024 13:50
avatar  Axel
#12 RE: Betonung von Zählzeiten
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Zitat von Mixtura im Beitrag #10
Zuhören, Nachempfinden wäre meine Idee dazu. Und innerlich mitsingen
Bei 4-St. (oder allg.mehrstimmigem ) Sätzen mal jede Stimme singen


Das hilft in Sachen Artikulation eher wenig, denn beim Singen gibt es ja kein Non-Legato. In Sachen Phrasierung schon okay, aber genau bei der Artikulation hatte der Fragesteller ja die Schwierigkeit.


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24.05.2024 14:45 (zuletzt bearbeitet: 24.05.2024 14:55)
avatar  SJL
#13 RE: Betonung von Zählzeiten
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SJL

Zitat von Axel im Beitrag #12
Zitat von Mixtura im Beitrag #10
Zuhören, Nachempfinden wäre meine Idee dazu. Und innerlich mitsingen
Bei 4-St. (oder allg.mehrstimmigem ) Sätzen mal jede Stimme singen


Das hilft in Sachen Artikulation eher wenig, denn beim Singen gibt es ja kein Non-Legato.


Das verstehe ich nicht. Wieso soll es beim Singen kein Non-Legato geben? Wenn ich eine konkrete Vorstellung von einer Tonfolge habe, kann ich sie genau so singen, wie sie klingen soll. Mir hilft Singen als Unterstützung des Spielens bzw. Übens ausnahmslos immer.


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24.05.2024 20:41
#14 RE: Betonung von Zählzeiten
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Obwohl das Singen ja Grundlage jeglichen Musizierens sein sollte, hat es aber doch seine eigenen "Gesetzmäßigkeiten". Es dürfte also nicht ganz glücklich sein, das Singen als "Vermittler" der instrumentalen Artikulation und Phrasierung zu gebrauchen. Ein gleichartiges Instrument scheint mir günstiger dafür zu sein.
Mir würde es deshalb auch recht schwerfallen, mit Hilfe von Singen das so wichtige Verständnis für das (historische) Tastenspiel zu bekommen. Gerade das VERSTEHEN der historisch inspirierten Aufführungspraxis ist doch eine wichtige Voraussetzung, um nicht ins Epigonenhafte abzugleiten.

Orgelditi


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24.05.2024 21:30
avatar  Mixtura
#15 RE: Betonung von Zählzeiten
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Sicher muss man die Stilistik verstehen und so gut es geht beherrschen. Ich versuche mal zu erklären was ich meine. Barocke Spielweise ist meist non-legato. Betonungen oder Schwerpunkte kann man über die Tondauer herausarbeiten, indem beispielsweise das erste 16tel einer Sechzehntelgruppe ein My länger ist als die anderen. Für mich ist es einfacher so etwas mal zu singen um es zu verstehen und dann zu versuchen das an den Tasten umzusetzen, als das mathematisch irgendwie aufzudröseln.

Ich sehe das als eine Möglichkeit von vielen. Letztendlich muss jeder seinen eigenen Zugang finden. Dazu sollte man auch verschiedene Herangehensweisen ausprobieren, denn es gibt nicht den einen Weg, der um Ziel führt. Was am Ende zählt, ist das Ergebnis.


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