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Audiophile Raritäten
#1 Audiophile Raritäten
Dem Hinweis eines Kollegen verdanke ich die Entdeckung einer Schatzkiste auf YT. Ich gebe den Link gern weiter:
https://www.youtube.com/@historicorganrecordings/videos
Dort finden sich mehr als 300 digitalisierte Orgel-Schallplatten aus den frühen Jahren der HiFi-Technologie. Darunter absolute Raritäten. Stöbern lohnt sich, zumal das digitale Mastering mit handwerklichem Können und guten Ohren gemacht ist.
Musikalisch gewähren die Aufnahmen tiefe Einblicke in die Gepflogenheiten der Orgelinterpretation Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Genau so haben es meine Lehrmeister gemacht. Und nicht alles war "falsch".
LG
Michael
Eine Fundgrube, ohne jeden Zweifel. Interpretatorisch bin ich da tatsächlich eine andere Generation...Ich habe nur etwas quer gehört.
Überzeugend Ewald Kooiman, der viel aufgenommen hat. Sehr virtuos Olivier Latry mit deutscher Barockmusik. Schade, dass er das so wenig in Konzerten spielt. Andere Sachen...puh ja, da tue ich mich doch schwer. Duruflé als Interpret...nun ja...wohl Stil der Zeit...
#3 RE: Audiophile Raritäten
Wenn man etwas weiter scrollt, findet man Platten von und mit Flor Peeters. Auf zwei Scheiben spielt er eigene Werke - an der Orgel, für die sie geschrieben sind. Authentischer geht's eigentlich nicht. Wir haben vor mehr als 50 Jahren alle aus Peeters' Orgelschule "Ars Organi" gelernt. Und auch heute wird man nicht dümmer davon, dass man die Fülle der Pedaletüden akribisch durcharbeitet. Ich habe Mitte/Ende der 70er Flor Peeters noch selber konzertant und im Gottesdienst spielen hören. Und auf den immensen Fundus seiner Choralbearbeitungen in allen Längen und Schwierigkeitsgraden greife ich immer wieder mal gern zurück. Die Partiten über "Adoro te devote" oder Veni, sancte spiritus" sind bildschöne Kabinettstücke.
Auch die frühen Scheiben von Daniel Roth, Ewald Kooiman oder Anton Heiller sind m.E. wertvolle Zeugnisse der Interpretations- und Rezeptionshistorie der Musik barocker Meister, denke ich.
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #3
Wenn man etwas weiter scrollt, findet man Platten von und mit Flor Peeters. Auf zwei Scheiben spielt er eigene Werke - an der Orgel, für die sie geschrieben sind. Authentischer geht's eigentlich nicht.
Dieser Hinweis auf Floor Peeters hat mich doch tatsächlich dazu bewogen, ein paar Noten von ihm hervorzukramen . . .
Da werd ich doch tatsächlich demnächst was davon spielen müssen . . .
Vielen Dank, lieber Michael, für diesen Hinweis!
Mit herzlichem Gruß
Flauten
#5 RE: Audiophile Raritäten
Mir ging es genauso. ich habe einen erklecklichen Fundus, vor allem aus den Choralbearbeitungen, darunter das ganze Opus 100. Das sind nicht weniger als 24 Hefte voller Kompositionen von Miniaturen über Partiten bis hin zu konzertanten Großformen. Dieses riesige Werk steht in der Tradition von Bachs Orgelbüchlein und der großen Choralzyklen von Reger und Karg-Elert. Es überträgt die Formenfülle der Choralbeabeitung in die frühe Moderne. Auch seine 30 Bearbeitungen gregorianischer Hymnen machen viel Spaß beim Spielen und beim Hören.
Peeters' gesammelte Werke einzuspielen, wäre eine löbliche Aufgabe für einen versierten Organisten. Aber dafür ist es wahrscheinlich noch etwas zu früh.
LG
Michael
I found some of Harald Vogel's LP-only recordings among the site's wonderful offerings.
Wise or not, decades ago I disposed of my record player and have been frustrated by no one offering CD versions of a number of LP recordings. While YouTube audio isn't yet quite CD quality, the recordings are much, much better than NOT having the them.
@Wichernkantor -- Michael, thanks again for the great pointer!
#7 RE: Audiophile Raritäten
Beim weiteren Vordringen in die Überfülle des Materials (täglich kommt eine weitere Scheibe dazu!) entdecke ich jast jeden Tag fasziniert die schier unerschöpfliche Zahl von Werken der britischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Die Entwicklung der britischen Orgeltradition verlief ganz offensichtlich völlig abgekoppelt vom Geschehen auf dem Kontinent. Und sie steht in der ungebrochenen Traditionslinie der Spätromantik. Die zahlreichen Platten mit Einspielungen an britischen Kathedralorgeln aus den 50er bis 70er Jahren waren in Resteuropa wohl bestenfalls ein Nischenprodukt. Ich habe ab Mitte der 60er einen Großteil meines Taschengeldes bei einem hervorragend sortierten Fachhändler (Saraphon in SB, vor einigen Jahren leider +) in LPs umgesetzt. Vieles davon gilt inzwischen als Rarität. Aber die Insel als organophile Hochburg war ein weißer Fleck auf meiner Landkarte und rückte erst Mitte der 80er in den Fokus der Editoren. Ich betrachte es als Glücksfall, jetzt zugriff auf diesen gewaltigen Fundus zu haben. Vor allem sind die digitalen Aufarbeitungen der Scheiben mit Akribie und Fachkenntnis ausgeführt. Da hat ein wirklicher Könner mit guten Ohren eine respektable Fleißarbeit abgeliefert. (Während die Digitalisierung meines eigenen LP-Bestandes immer noch rudimentär ist *schäm*.)
LG
Michael
#8 RE: Audiophile Raritäten
Heute ist die Bach/Liszt/Mendelssohn-Schallplatte mit Edgar Krapp an der damals neuen Klaisine in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale neu im Fundus der historischen Aufnahmen. Unbedingte Hörempehlung meinerseits. Denn das Instrument ist hervorragend eingefangen - Analogtechnologie am Anschlag. Lehrndorfer-Schüler Krapp spielt zeitlos schön, klar und makellos. Vor allem die Passacaglia BWV 582 hat mich damals wie heute fasziniert. Sehr intelligent aufgebaut, mit raffinierter Klangregie am Instrument. Die Hedwigsorgel steht herausragend in der Riege der Domorgeln, die in den späten 70er und frühen 80er Jahren aus der Bonner Werkstatt kamen. Hoffentlich überlebt dieser Klang die optische und akustische Umgestaltung (oder das Umkrempeln?) des Raums.
Schade, dass Krapp nie eine Bach-Gesamteinspielung vorgelegt hat. An dieser Orgel wäre sie eine Pralinenschachtel in jeder Sammlung.
Da merke ich mal wieder, wie schnell die Zeit vergeht. Mitte der 80er war das eine der letzten LP, die ich mir gekauft habe, denn die CD trat ihren Siegeszug an.
LG
Michael
#10 RE: Audiophile Raritäten
Zitat von Flauten im Beitrag #9
Krapp hatte - wenn ich recht erinnere - in München Bachs Gesamtwerk in München in einem Konzertzyklus gespielt.
Diese Konzerte wurden vom BR mindestens aufgezeichnet, ich glaube sogar live gesendet.
Ja, das hat er mehrfach gemacht - auch in Frankfurt während seiner Amtszeit als Prof. an der dortigen Hochschule. Ich kann mal 'rumhören, ob es beim HR oder beim BR noch Aufnahmen in den Archiven gibt. Die hätten erheblichen dokumentarischen Wert. Neben Weinberger ist Krapp sicher einer der potentesten Lehrndorfer-Schüler. Er hat zudem (wie auch Norbert Düchtel) bei M.C. Alain studiert.
LG
Michael
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #8Auch Liszts BACH ist großartig. Grandios gespielt und aufgenommen. Chapeau!
Lehrndorfer-Schüler Krapp spielt zeitlos schön, klar und makellos. Vor allem die Passacaglia BWV 582 hat mich damals wie heute fasziniert. Sehr intelligent aufgebaut, mit raffinierter Klangregie am Instrument.
#12 RE: Audiophile Raritäten
#13 RE: Audiophile Raritäten
Ich dachte bisher, die "Schallplattenkarriere" von Marie-Claire Alain habe mit der ersten Gesamteinspielung des Bach'schen Orgelwerkes in den Jahren 1958 ff. auf (damals) neuen Orgeln des Hauses Marcussen begonnen. Nun taucht in den "Historical Recordings" bei YT schon zum zweiten Mal eine digitalisierte LP aus 1954 auf, die erste mit Buxtehude, die von heute früh mit Präludien und Fugen von JSB. Und zwar an der Orgel von St. Merry in Paris eingespielt - franz. Barock und damit nicht gerade ein Referenzinstrument für norddeutsche Meister der Bachzeit. Und noch ein paar Schrittchen entfernt vom HiFi-Standard, der sich Anfang der 60er etablierte. Auch wenn die Mixturen etwas kratzen und klirren, interessante Aufnahmen, die ob MCAs stringentem Spiel die Szene damals aufgemischt haben müssen, die bei uns von Walcha, wenig später auch von Richter dominiert wurde.
Auf jeden Fall scheint es zu den drei Bach-Gesamteinspielungen der Alain eine "Vorserie" zu geben. Ich hoffe, dass der Betreiber des YT-Kanals noch mehr solche Schätzchen hebt.
Für mich hat der Kanal inzwischen etwas von einem Adventskalender. Jeden Morgen öffne ich gespannt ein Türchen. Und meistens finde ich die Klänge dahinter bereichernd. Ad multos!
LG
Michael
#14 RE: Audiophile Raritäten
Heute früh wieder ein Türchen aufgemacht, hinter dem eine kleine Pretiose steckt:
Klaus Linsenmeyer an der Ottobeurener Dreifaltigkeitsorgel von Meister Riepp. Linsenmeyer spielt seit den 70ern bis heute (!) die exzellente Klaisine im Würzburger Stift Haug - und das mit ungebrochener Vitalität. In seinem Repertoire gibt es kaum Lücken. Er stammt aus der ersten Schülergeneration Lehrndorfers - und das hört man. Ich habe immer Freude an diesem gradlinigen, schnörkellosen Spiel, bei dem Genauigkeit über alles geht, ohne in Notenmathematik auszuarten. Das Es-Dur BWV 552 hat mich heute fröhlich gestimmt in den Tag kommen lassen.
LG
Michael
#15 RE: Audiophile Raritäten
Ich hatte das Glück, in meinen Würzburger Studienjahren (1972-1975) Klaus Linsenmeyer live zu hören. Deinem Urteil über ihn stimme ich voll zu.
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