Am Samstag, dem 19.10.2024 fand in der Neuapostolischen Kirche in Esens/Ostfriesland ein beeindruckendes Orgelkonzert statt, von dem ich hier gerne berichten möchte.
Intention der Konzertveranstaltung war es einem wenig orgelaffinen Publikum zu demonstrieren, dass Orgel mehr kann, als das liturgiearme neuapostolische Gottesdienstgeschehen sonst zeigt. Dem zu Folge war auf die Bedeutung der Werbung für diese Veranstaltung ein besonderes Augenmerk zu richten.
Hier galt es also die im November 2023 neu erworbene dreimanualige GLORIA CONCERTO 350 DLX mit den damit möglichen Klangfarben und der damit möglichen Klangfülle vorzustellen. Die Interne 8.1-Abstrahlung des Instrumentes wurde durch die Orgelbauwerkstatt der Neuapostolischen Kirche Nord- und Ostdeutschland aus Bautzen durch einen mit Blindpfeifen versehenen Überbau mit einer weiteren 4.1-Abstrahlung versehen und von uns nachträglich um ein als 12-Register-Fernwerk (Accupipe CM100) mit separater 2.1-Abstrahlung ergänzt.
Besonderes Highlight war die Videoübertragung des Spieltischgeschehens auf eine ca. 3,5x2m große Projektionsfläche an der Altarfront, so dass es uns als Zuschauer möglich wurde das großartige Spiel nicht nur akustisch sondern auch visuell zu verfolgen.
Die Zusammenarbeit mit dem konzertierenden Organisten Christoph Bartusek aus Rheinberg war vom ersten Moment und in jeder Phase des Projektes von Sympathie und Empathie geprägt, die für den oben genannten Zweck sinnvolle Programmgestaltung war von ihm innerhalb weniger Stunden erstellt, so dass wir vier Monate Zeit hatten um alles hier "vor Ort" zu regeln.
Technische Probleme, die erst in den letzten Tagen vor dem Konzert deutlich wurden, konnten dank der komplexen Hilfe hier aus dem Forum - allen daran Beteiligten sei hier nochmals herzlichst gedankt - und der Unkompliziertheit und Flexibilität des konzertierenden Organisten gelöst werden.
Obwohl werbetechnisch einiges schief lief - die Information über diese Veranstaltung war teilweise nicht in den Nachbargemeinden des neuapostolischen Kirchenbezirkes angekommen, die Außenwerbung via Plakate im Ort hingen wegen parallel laufenden Veranstaltungen oft nur wenige Tage, die Regionalpresse hat die entsprechende Ankündigung einfach nicht gedruckt usw ... Obwohl all dessen waren am Konzerttag doch trotz hohem Krankenstand in der Gemeinde selbst fast 70 Konzertteilnehmer gekommen, so dass der Andachtsraum mit ca. 120 Sitzplätzen gut gefüllt war.
Bereits mit dem ersten Stück - der Orgeltranskription von Richard Wagners Festmusik aus der Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" zeigte sich, wohin die Reise ging. Sigfrid Karg-Elert bastelt hier aus Motiven des Originalwerkes ein glanzvolles Vortragsstück, das - ebenso glanzvoll von Herrn Bartusek vorgetragen - zeigte, was in dem Klangspektrum der GLORIA CONCERTO steckt.
Brilliant dargestellt in den schönsten Klangfarben die dank der großzügigen Disposition des 50+12-Register-Instrumentes möglich sind, kamen dann Antonio Vivaldi's Allegro aus dem Mandolinenkonzert in C in Jonathan Scott's Transkription zu Gehör, das wie das darauf folgende Allegro aus der Serenade G-dur ("Die kleine Nachtmusik") von Wolfgang Amadeus Mozart in der Bearbeitung von Heinrich E. Grimm natürlich auch aufgrund des Bekanntheitsgrades der Melodien punkten konnte.
Das für mich persönlich beeindruckendste und faszinierendste Stück des Abends war "A Festive Trumpet Tune" des US-amerikanischen Komponisten Douglas E. Wagner. Durch das geschickte Darstellen der verschiedenen Zungenstimmen aller unterschiedlicher Teilwerke der Orgel brillierten insbesondere die nun im Konzert erstmals erklingenden Chamaden des Fernwerkes, was einen unglaublichen Raumklang vermittelte. Noch immer kribbelt es mir im Nacken, wenn ich nur daran zurückdenke ...
Der großzügige Streicherchor der Orgel - 12 Register vom 4' Salicet bis hinab des 32' Contrabass im Fernwerk - machte Evard Grieg's "Morgenstimmung" aus der Peer-Gynt-Suite in der Transkription von Francis Lodowick York zu einem faszinierenden Stimmungsbild.
Mit dem nun folgenden "Variations de Concert op.1" von Joseph Bonnet und den virtuosen Finger- und Fußpassagen beeindruckte Herr Bartusek erneut. Faszinierend war auch, dass er quasi nebenbei die Bildtechnik bediente, so dass die z. Teil vierstimmigen Pedalpassagen des Werkes zum Hauptbild wurden ...
Dass die CONCERTO auch Jazz kann - der Organist sowieso! - zeigten die nun folgenden "Drei Jazz-Präludien für Orgel" von Johannes Matthias Michel. In diesen drei Stücken erscheinen, teils sehr verdeckt, teil gut durchhörbar, bekannte ev. Choralmotive, im Swing Five "Erhalt uns, Herr", im Bossa Nova "Wunderbarer König - Gott ist gegenwärtig" und im Afro Cuban "In dir ist Freude".
Das in seiner Schlichtheit ergreifende "Lascia Ch'io Pianga" aus der Oper Rinaldo von Georg Friedrich Händel - die Melodie ist alten neuapostolischen Chorsängern auch aus der "alten" Chormappe von 1973ff bekannt, wo es unter dem Namen "Ich will nicht klagen" seinen Platz hatte - war ein beeindruckender Kontrast und Balsam für die Seele. Auch hier zeigte sich die Schönheit der Einzelstimmen der PHYSIS-basierten Orgel, die der Organist meisterhaft zu kombinieren verstand.
Mit Louis Vierne's "Carillon de Westmister" zeigte Herr Bartusek dem Zuhörer die Grenzen - nicht die der Virtuosität des konzertieren Organisten, aber die der des nur ca. 1000m3 kleinen Andachtsraumes unserer Kirche. Dieses Werk benötigt einfach die Akustik eines großen Kirchenraumes. Nichts desto trotz eine beeindruckende Darstellung dieses beeindruckenden Orgelwerkes.
Das Publikum bedankte sich mit langem Applaus für die nachhaltig beeindruckende Konzertstunde und nötigte Herrn Bartusek zu zwei Zugaben: Die Transkription des 2023 verstorbenen Jonathan Mark Baker aus Filmmusikmotiven aus John Williams' "Star Wars" sorgte für großes "Aha". Abschließend faszinierte der Organist noch mit der Jazzversion von Johann Sebastian Bachs berühmter Toccata d-moll BWV 525 als "Toccata à la Jazz" von Johann Simon Kreuzpointner.
Die von Christoph Bartusek zu jedem vorgetragenem Stück einleitende Worte waren informativ und humorvoll. Dass bei ihm, obwohl er bisher ausschließlich an POs konzertiert hat, keinerlei Ressentiments gegen eine Digitale Orgel waren, hat uns als Zuhörer einen noch lange bewegenden Konzertabend geschenkt. Vielen Dank dafür!
Bei nettem Zusammensein und dem Verzehr von ausreichenden Mengen nicht veganer Lebensmittel klang der Abend aus.
Erfreulich: Trotz umfangreicher Verpflichtungen hat Christoph Bartusek uns bereits einen Termin für ein Nachfolgekonzert angeboten: Am Samstag, dem 18.10.2025 wird er wieder bei uns sein. Vielleicht ermöglicht die Deutsche Bahn ja dann auch das Erscheinen derer, die darauf angewiesen, gerne dabei gewesen wären. Erste Programmideen fliegen bereits hin und her ...
Informationen im Netz über sein umfangreiches künstlerisches Schaffen ist hier auffindbar:
www.christoph-bartusek.de und www.rheinberger-abendmusik.de
ab 19:02 Uhr back to the roots ... Transfer zum Bhf. kriegen wir hin ... oder 19:30 Uhr Hamham in Großholum und nächtigen wheresoever ...
