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Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
#46 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
Leute, die noch (oder wieder) Duprés im Prinzip hochdifferenziertes "legato absolue" oder Walchas "Überlegato" draufhaben und weite Spannungsbögen musizieren können, dürften an dieser Orgel klar im Vorteil sein. Das alles natürlich in einem straffen Zeitmaß, das die Akustik "unterläuft". Gerade in stark am Metrum entlangkomponierter Musik polyphonen Charakters werden unfreiwillige Temporückungen gnadenlos hörbar. Iveta Apkalna legte in BWV 564 das Tempo vor, das diese Musik in diesem Raum mindestens haben muss.
Mehr darüber, nachdem ich selber morgen zwei pusptrockene Säle beorgelt habe - allerdings gewähren mir die beiden dortigen DO den nötigen "Gnadenhall".
LG
Michael
#47 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
#48 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
#49 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
Lieber Michael,
das hat mit Karneval und Pappnas´nix ze dunn [wink] Ich hab auch kein Metronom eingebaut. Evtl. siehst Du ja in der Lage einen Näherungswert nennen, damit ich mir so in etwa eine Vorstellung vom gewählten Tempo machen kann. Das wäre wirklich sehr nett. Sorry, meine Frage war wirklich ernst gemeint.
#50 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
Zitat von clemens-cgn
Lieber Michael,
das hat mit Karneval und Pappnas´nix ze dunn [wink] Ich hab auch kein Metronom eingebaut. Evtl. siehst Du ja in der Lage einen Näherungswert nennen, damit ich mir so in etwa eine Vorstellung vom gewählten Tempo machen kann. Das wäre wirklich sehr nett. Sorry, meine Frage war wirklich ernst gemeint.
Mein einzigen Messwerte für Tempi bei einem Konzert sind:
a) ist das Tempo Werk, Raum und Instrument angemessen?
b) ist das Tempo technisch bewältigt?
Egal, wer sonst was gehört haben will und wer wo was geschrieben hat - ich kann beide Fragen mit "ja" beantworten.
LG und schönen Sonntag
Michael
matjoe1
(
gelöscht
)
#52 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
matjoe1
(
gelöscht
)
#53 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
#54 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
Na, so "enthüllend" ist das nicht. Iveta Apkalna ist eine glänzende Organistin. Eine Virtosin im besten Wortsinn. Das wusste ich aber vorher. Falls irgendjemand aus der Kritikaster-Szene ihr dieses Attribut für die Inauguration der Elbklaisine abprechen will - dann lass' ich ihn schwätzen und sage ihm: besser vormachen.
Dass das Programm an einer Saalorgel mit einer Choralbearbeitung begann, hat nicht nur mich erstaunt. Natürlich war es eine Reverenz an die lettische Heimat und ihren Nachfolger am Dom zu Tallin, Aivars Kalejs. Der Text "Allein Gott in der Höh' sei Ehr" hat jedoch tiefere Bedeutung, wie sie während der "after show-Party" einräumte. Säkulare Orgel hin oder her - für sie ist die Orgel ein Instrument, um den eigenen Glauben auszudrücken. Und Aivars Kalejs' Toccata geriet mit Brillanz und Verve, die choralen Bezüge waren klar herausgearbeitet - klarer, als es in Kirchenakustik möglich gewesen wäre. Das ist ein Vorzug des (inzwischen wohl viel gescholtenen) Raumes: Er erlaubt analytisches Hören. Und er fördert analytisches Spiel. Das darf dann auch ruhig virtuos sein und in Tempi am Rande der Artistik ausarten.
Auch mit der Wahl von Bachs C-Dur-Toccata folgte die Interpretin einfach ihrer persönlichen Vorliebe für Bachs Orgelwerk - wohl wissend, dass die Elbklaisine keine spezifische "Bach-Orgel" ist. Von Albert Schweitzer ist das Bonmot überliefert, dass Bach auf jeder Orgel spielbar sei. Und die gestuften Plena dieser Orgel klingen ebenso kompakt, aber bei weitem transparenter als die Plena britischer Kathedralorgeln, denen man (allein wegen ihrer Terzmixturen) auch gern die "Bach-Tauglichkeit" abspricht. Wer an ihrer Spielweise was zu meckern hat - besser vormachen! Ich fand sie stringent - natürlich forsch. Und das (offenbar kontrovers diskutierte) Adagio als Ruhepol und Bindeglied zwischen den Ecksätzen hatte für mein Empfinden durchaus das "tempo giusto", wenn es auch näher am Andante als am Largo lag. Ich habe die Leichtigkeit, mit der die Interpretin die Fuge in die Tatstaturen tupfte, ausgesprochen genossen. Sie ließ vergessen, dass da keinerlei Raumakustik mithilft.
Wo anders als an einer Saalorgel soll man so dezidiert sälukare Programmusik wie Sofia Gubaidulinas "Hell und Dunkel" spielen? Das habe ich mich angesichts der kontroversen Meinungen über Sinn und Unsinn dieses Stückes in einem Inaugurations-Konzert gefragt. Natürlich ist das programmatische Konzept überdeutlich zu hören - jede Menge Arbeit für Hirn und Setzeranlage. Ich gestehe, zu den (beiden) Orgelwerken der Gubaidulina, die ich bisher gehört habe, keinen Zugang zu finden - weder rational noch emotional. Das genaue Gegenteil kann ich von ihren geistlichen Vokalkompositionen sagen, die mich tief anrühren. Also habe ich Iveta Apkalnas Interpretation als "Registervorührung" aufgefasst, mich zurückgelehnt, mich vom Erfassen des Inhaltes dispensiert und den unerschöpflichen Klangmischungen dieser Orgel gelauscht. Einfach Wahnsinn, was da an Klängen alles geht. Ein schier unerschöpflicher Farbkasten, der die Farben zu jedem denkbaren Bild hergibt.
So war ich hochgespannt auf Jongens "Eroica", ein Bravourstück der Interpretin und m.E. das ideale Vorführstück für dieses Instrument. Für mich war das der vollendete Dreiklang zwischen Instrument, Interpretin und Werk. In der Tat sollte das irgendwann mal unbedingt auf CD vorliegen. Unter weniger Premierenstress und frei von Sozialgeräuschen - es gibt ja immer wieder rücksichtsvolle Experten, die sich ihre Huster für die Pianissimostellen aufheben - da stören sie nicht so ...
Totz aller Huster, Rülspser und Pupser, Bonbonpapier- und Programmheft-Raschler - für mich das Stück des Abends. Glutvoll, brillant, meditativ, hymnisch-wuchtig - ein Kaleidoskop der Ausdrucksmöglichkeiten einer großen sinfonischen Orgel und einer großen Interpretin.
Bewusster Kontrapunkt - auch zum "Runterkommen" der Hörwerkzeuge: Glass' minimalmusikalisches Finale aus "Satyagraha". Die Orgel klingt auch in statischen Flächen. Man kann sich Akkorde durchaus länger anhören. Ich kannte einen alten Intonateur, der behauptete, eine Orgel sei gelungen, wenn man einen C-Dur-Akkkord mit dem Prinzipalplenum fünf Minuten lang anhören könne, ohne "genug!" rufen zu wollen. Die ruhigen Mischungen aus Flöten und Streichern hätten diesen Test jedenfalls bestanden.
Thiery Escaichs "Evocation II" ist mit den typischen Gallikanismen der jungen Improvisatoren gespickt, natürlich auch mit aalglatten technischen Stolpersteinen. Die Interpretin wusste nicht nur, wo sie liegen, sondern auch, wie man leichtfüßig über sie hinwegkommt.
Die Ovationen des Auditoriums galten wohl gleichermaßen der Orgel und der Interpretin - auf jeden Fall die richtige Frau am richtigen Instrument.
Ein Abend, der Erwartungen weckte. Olivier Latry im Juni ist bereits ausverkauft. Man sollte vielelicht warten, bis sich der Hype um das Haus gelegt hat ...
LG und schönen Restsonntag
Michael
#55 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
#56 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
Auch von meiner Seite,
Lieber Michael,
tausend Dank, dass Du uns Deine empfindsamen Ohren und Deinen wachen Geist wieder einmal in so schätzenswerter Manier geliehen hast!
Ich halte Iveta Apkalna ebenso für eine wunderbare Besetzung und mag sie als Organistin sehr, nicht zuletzt deshalb, da sie mir unerachtet ihrer frappierenden Meisterschaft und brillanten Virtuosität stets ein wenig den Eindruck vermittelt (obschon ich sie ja nicht persönlich kenne :ratlos, jenseits arroganter AttitüDen nicht so sehr selbst im Mittelpunkt stehen zu wollen, vielmehr in gewisser Demut hinter die Musik zurückzutreten sich befleißigt. Ich mag einfach gerne, wenn man sich selbst nicht gar so wichtig nimmt, sondern im Dienste einer größeren Sache steht und so durch Musik vielleicht der Mensch letztlich doch sich selbst ein wenig zu transzendieren oder aber auch ein Stückchen dem Himmel entgegengerissen zu werden vermag...
Nochmals und herzliche Grüße
Benjamin
#57 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
Ich kann Deinen Eindruck nur bestätigen. Sie kommt völlig allürenfrei 'rüber. Im Gegensatz zu manchen verschrobenen "Dienern an der reinen und hehren Kunst" spürt man ihr an, dass sie gern für Menschen spielt und diese Menschen mag.
Sie hat es einfach nicht nötig, mit ihrem Können zu protzen. Sie kann's eben.
Nach dem Konzert, das wir mal im Kölner Dom besucht haben, schrieb ich seinerzeit, dass ich sie gern mal mit einem ihrer Virtuosenstücke in einer pupstrockenen Saalakustik lauschen würde. Dieser Wunsch würde mir jetzt erfüllt. Und es war den Kurztrip nach HH in jeder Hinsicht wert.
Jetzt würde ich diese Orgel mal gern in einem der Konzerte für Orgel und Orchester von Rheinberger hören. Die werden viel zu selten gespielt. Das g-moll ist ein ganz großer Wurf, finde ich.
LG
Michael
Feiner Bericht, Michael!
Vorher frug ich meiner, wie die C-Dur-Fuge auf dieser Klaisine wohl ankommt. Sie hat so etwas Tänzerisches. Dein "in die Tasten getupft" ergab die einzig sinnvolle Art des Vortrags, dem ich mit hohem Interesse und ebensolcher Spannung gern gelauscht hätte.
Sicher hast Du noch eine Menge Backstage-Informationen von der Aftershow-Party einsammeln können. *neugierig*
Gab es Diskussionen, die Orgel noch mit einem regelbaren Hall zu versehen?
Am geeignsten erscheinen mir dafür Grenzflächenmikrophone. Bloß gibt es dort kaum Flächen vor der Orgel, auf die man diese legen könnte.
Machthorn
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gelöscht
)
#59 RE: Elbphilharmonie-Orgel: Eröffnungskonzert mit Iveta
Zitat
Gab es Diskussionen, die Orgel noch mit einem regelbaren Hall zu versehen?
Wozu? Wer ein Orgelkonzert mit "mehr Raum" in Hamburg geben möchte kann das tun in der Laeiszhalle auf der dortigen Beckerath-Orgel, auf einer der Orgeln in St. Michaelis, St. Petri, St, Katharinen oder nicht zu vergessen der Schnitgerin in St. Jacobi. Die Aufgabe für die Elbphilharmonie war immer, Hamburg etwas zu geben, was es noch nicht hat. Orgeln mit Raum hatte es aber schon einige.
Wenn man vorhat, in der Elphi mehr Zeitgenössisches zu geben, magst Du recht haben, dann ist womöglich das Orgelregister "Raum" entbehrlich. Ich erwarte jedoch vom Publikum irgendwann einige Ablehnung, wenn die Elphi-Hype sich erst einmal verzogen hat.
In anderen Konzerten wird Zeitgenössisches zwar zuweilen ins Programm untergemischt, stellt aber kaum den Hauptanteil dar, weil man nicht in leeren Häusern spielen will, wenn sich so ein Trend herumspricht. Der Konzertbesucher erwartet Erbauung und kein Ärgernmüssen.
Man kan in der Elphi das eine tun, ohne das andere zu lassen.
Ich erinnere an die Eisenbergschen Orgelvespern im Gewandhaus, das über eine ausgeklügelte Akustik verfügt, die international Bewunderung einheimste. Dort ist die gesamte Orgelliteratur darstellbar - zum Genuß der Besucher -, weil's im Saal eben nicht klang, als wäre er in Eierpakungen eingehüllt.
Mag sein, daß so ein Fossil wie ich bei überdosiertem Zeitgenössischen körperlich leidet, während andere sich in intellektuellen Sphären ahlen.
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