Renovierung Domorgel St. Stephan

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01.08.2018 07:06
#76 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
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Moderator

Nun, das Projekt wurde ja der Öffentlichkeit zunächst als quasi-Generalüberholung des vorhandenen Instrumentes verkauft. Das Pfeifenmaterial sei nicht schlecht, war immer wieder zu hören. Es stehe nur falsch und sei klanglich nicht ausgereizt.
Ich war im Dom während der Zeit, da die Empore öffentlich zugänglicher Teil des Diözesanmuseums war. Um die dort platzierten Exponate zu sehen, stieg man aus dem rechten Treppenhaus über eine Wendel einige Meter hinab auf Emporennivau. Dabei konnte man das oben und seitlich offene Seitenpositiv aus mehreren Höhenperspektiven einsehen. Die Verstaubung des Pfeifenmaterials war gar nicht so schlimm. Da habe ich bedeutend verdrecktere Orgel-Innereien gesehen. Die Pfeifen machten einen ordentlichen Eindruck - nichts verbogen, nichts zusammengesackt, Zinn und Naturguß hielten sich die Waage, manch tiefe Oktave bestand aus Zink. Das machten damals fast alle noch - heute macht man's wieder. Etliche Diskantpfeifen waren wohl von Souvenirjägern geklaut worden.
Im gegenüber liegenden Seitenpositiv waren die Mixturenmarder unterwegs gewesen. Da war wohl jemand auf der Windlade herumspaziert, ohne darauf zu achten, wohin die Füße treten ...
Ein Hauptvorwurf der Kritiker dieser Orgel war immer, das Pfeifenmaterial stehe falsch und könne sich nicht entfalten. Das trifft nur auf einen Teil der Pfeifen zu. Die drei (!) Rückpositive wurden damals wohl so platziert und disponiert, damit sie möglichst viel Klang in den Raum bringen. Und zusammen haben sie wohl um die 40 Stimmen, also den Bestand mancher stattlichen Stadtkirchenorgel.
Vielleicht hat sich ja bei der Sichtung des Pfeifenmaterials herausgestellt, dass sich ein großer Teil des Altbestandes nicht ins neu konzipierte Mensurgefüge einordnen lässt, das ja wohl einen tragfähigen und leistungsfähigen Klang zum Ziel hat. Rieger täte im eigenen und im Interesse des Kunden gut daran, dieses Material auszusondern und durch eigenes Neumaterial mit leistungsfähigen Mensuren zu ersetzen.
Nur - wie sag' ich's meinem nostalgisch bewegten und emotional hochbeteiligten (Groß-?)Spender?
Im Gegensatz zum Projekt in Mainz, das sich ja parallel verfolgen lässt, scheinen in Wien starke emotionale Kräfte auf das Bauvorhaben zu wirken.
Rieger will verständlicherweise eine optimale Arbeit abliefern, die Musiker wollen noch verständlicherer Weise ein optimales Instrument.
Das durchzusetzen, ist wohl ein Kraftakt der besonderen Art - dafür kann man nur Glück und Stehvermögen wünschen.
Klug wäre es sicher, emotional unbeleckte Kreise für die Sache zu gewinnen. "Wir bauen eine herausragende Orgel, die dem Dom angemessen ist und auf der sich ausgezeichnet musizieren lässt." So machen es die Mainzer. Ich komme nicht umhin, deren Procedere höher einzuschätzen als die Geheimniskrämerei, die das Wiener Projekt umgibt. Dass hinterher gefühlte 1.000 "Experten" aus den Löchern kommen werden, um es zu zerreißen, statt es anzuhören, steht doch jetzt schon fest. Wer seine Hausaufgaben gemacht hat und redlich arbeitet, muss sowas nicht fürchten, sondern kann es lächelnd ignorieren. Dieses Lächeln wünsche ich den Leuten in Wien.
Den ORF-Kollegen wünsche ich, dass es ihnen gelingt, dieses Projekt in seiner Einzigartigkeit von Raum und Instrument spannend abzubilden und der Versuchung zu widerstehen, ein "Nationalepos" zu dichten. Ein außergewöhnlicher Raum (meinetwegen auch einer von nationaler Bedeutung) bekommt eine außergewöhnliche Orgel - das wäre m. E. der rote Faden einer seriösen Dokumentation.

LG
Michael


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01.08.2018 11:08
avatar  Jesaiah ( gelöscht )
#77 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Je
Jesaiah ( gelöscht )

"All through the year of '18 we had organ builders working, in rank-proof conditions, to try and produce a secret version of the Riesenorgel. They worked on one pipe each for greater safety. One of them saw two pipes of the organ and spent several weeks in hospital."

(Sehr frei nach Monty Python)


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01.08.2018 23:09
#78 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Me

Ach was, so geheim ist das doch gar nicht, nur noch nicht ganz fertig.
Bei öffentlichen Veranstaltungen wird ganz offen über das Konzept geredet und gar nichts verheimlicht.
Ich denke, sobald man genau weiß, wie die Orgel wird, erfährt es auch die Öffentlichkeit!


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02.08.2018 06:33
#79 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
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Moderator

Ich glaube, das wäre klug. Und außerdem bin ich einfach neugierig ... [grin]

LG
Michael


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02.08.2018 17:29
#80 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
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Moderator

So, hier gibt's (die ersten, hoffentlich noch nicht alle) gesicherte Informationen:

https://tvthek.orf.at/profile/Kultur-heute/3078759/Kultur-Heute/13984693

LG
Michael


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02.08.2018 17:47
#81 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ma

Danke für den Link, Michael.

Rieger spricht ja selbst von einem Neubau ... "mit 125 die größte Orgel, die wir jemals gebaut haben". Dass Rieger diesen Raum mit Klang füllen wird, möchte ich nicht bezweifeln. Nur gut die Hälfte der Pfeifen (Toni Faber spricht noch von zwei Drittel) werden wiederverwendet und "in einem neuen Kontext arrangiert".

Viele, die vehement die Restaurierung der Kauffmann-Orgel forderten, werden stolz auf den (tollen) Prospekt blicken und auf die Kauffmann-Orgel schwören. Win-Win-Situation für alle! [wink]

Bei "Bares für Rares" hätten die beiden Herren im Filmbeitrag mit ihren Preisvorstellungen jedenfalls keine Chance.

Gloria Concerto 350 Trend

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02.08.2018 19:18
#82 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
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Moderator

Zitat von Martin78

Viele, die vehement die Restaurierung der Kauffmann-Orgel forderten, werden stolz auf den (tollen) Prospekt blicken und auf die Kauffmann-Orgel schwören. Win-Win-Situation für alle! [wink]



Dass es sich um einen kompletten technischen Neubau mit Verwendung alter Pfeifen handelt, muss man ja nicht an die ganz große Glocke hängen ...
Die Apologeten der "Riesenorgel" sollen ruhig glauben, dass hinter dem - zweifellos imposanten und denkmalwerten - Prospekt, die "alte" Orgel steht.
In dem Clip war kurz auf einem Bildschirm eine CAD-Zeichnung zu sehen, die eine Trompeteria zeigt. Ich vermute mal, es sind Horizontaltrompeten, die zwischen Untergehäuse und Prospektpfeifenfüßen eingebaut werden. Sicher eine äußerst sinnvolle Maßnahme. Dieser Raum braucht mächtige Zungen. Also würde sich auch das Schaubild in Richtung "Schlachtschiff" verändern. Dominierend für diesen Prospekt sind ja der Schwung der Pfeifenlinie und die mächtigen, von Engelsskulpturen getragenen Pedaltürme.

LG
Michael


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03.08.2018 13:19
avatar  Romanus ( gelöscht )
#83 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ro
Romanus ( gelöscht )

Ab wann ist eine Orgel eine neue Orgel ? Ich denke, bei ca. 2/3 Wiederverwendung alten Pfeifenmaterials kann man durchaus guten Gewissens von einer Restaurierung und Teil-Erneuerung sprechen. Dass der Spieltisch neu gebaut wird, war ja wohl klar.

Habe gerade den ORF-Beitrag gesehen, was mir dabei gefehlt hat:
Der Dompfarrer hätte noch in die Pfeife hineinblasen können. Naja, vielleicht ist seine Lunge nicht mehr ganz in Topform.
Wie auch immer, der Generalspieltisch ist eine großartige Idee !
Das ist Musik in meinen Ohren, freue mich schon sehr auf Ostern im übernächsten Jahr, wenngleich ich woanders Organist bin und den Wiener Domorganisten beneide ! Dafuer:


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03.08.2018 13:21
#84 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ma

Ja, der hat eine gute Riegerorgel zur Verfügung! Davon habe ich eine CD, empfehlenswert.

Gloria Concerto 350 Trend

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03.08.2018 13:24
avatar  Romanus ( gelöscht )
#85 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ro
Romanus ( gelöscht )

Zitat von Martin78

Ja, der hat eine gute Riegerorgel zur Verfügung! Davon habe ich eine CD, empfehlenswert.


Riesenorgel, und wenn schon, dann korrekt Kauffmann-Rieger-Orgel !

Was, du hast jetzt schon eine CD von der Orgel, wo sie noch gar nicht fertig ist ? Gratuliere zur Zeitmaschine, damit stellst du sogar Michael J. Fox in den Schatten ! [grin]

Falls du aber damit die von Peter Planyavsky eingespielten CDs (davon gibt es mehrere) von der derzeit in Verwendung befindlichen Chororgel meinst, letztere Orgel hat mich vom Klang her noch nie begeistert, weder auf CD noch live !


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03.08.2018 13:37
#86 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ma

Ich meinte schon die seit 1991 benutzte Orgel. [wink]

Gibt es eigentlich Organisten, die die Westorgel noch aus eigenem Anspiel kennen und gut finden? Man liest ja eigentlich nur negatives über diese Orgel ... Ein Organist hat ja da eine LP aufgenommen, war in Planyavskys Buch zu lesen.

Gloria Concerto 350 Trend

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03.08.2018 13:40
avatar  Romanus ( gelöscht )
#87 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ro
Romanus ( gelöscht )

Zitat von Martin78

Ich meinte schon die seit 1991 benutzte Orgel. [wink]

Gibt es eigentlich Organisten, die die Westorgel noch aus eigenem Anspiel kennen und gut finden? Man liest ja eigentlich nur negatives über diese Orgel ... Ein Organist hat ja da eine LP aufgenommen, war in Planyavskys Buch zu lesen.



Ja, mich z.b., habe aber nur 1x 1986 privat und inoffiziell darauf gespielt, war damals ein Schulbub und schwer begeistert vom Klang, habe bereits in einem früheren Beitrag (siehe weiter oben in diesem Thread) darüber berichtet.

Der besagte Organist, der 1977 die Polydor-LP eingespielt hat, war Prof. Franz Falter (1931-2014), u.a. auch einer meiner früheren Orgellehrer, ein sehr kompetenter und sympathischer Mann, der vielen Wienern unvergessen bleibt, er war auch Mitglied im Komitée zur Rettung der Riesenorgel, das ja nun Recht behalten hat und sich mitfreuen darf.


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03.08.2018 13:48
#88 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ma

Wer das Buch von Planyavsky nicht kennt, kann hier einige Seiten daraus lesen.

Gloria Concerto 350 Trend

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03.08.2018 13:56
avatar  Romanus ( gelöscht )
#89 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ro
Romanus ( gelöscht )

Zitat von Martin78

Wer das Buch von Planyavsky nicht kennt, kann hier einige Seiten daraus lesen.


Wie heißt es so schön: "Das Papier ist geduldig."
Planyavsky war immer ein Gegner dieser Orgel, das ist allgemein bekannt, er hat eben nur ihre Nachteile gesehen und gehört und alles im Leben hat Vor- und Nachteile.
Letztlich haben sich aber die Befürworter der Riesenorgel durchgesetzt.
Ob er wohl auch eingeladen wird, auf der updateten Domorgel ein Konzert zu spielen und ob er diese Einladung annehmen wird ?
Das hätte etwas spaßiges von "später Versöhnung" ? [wink]


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03.08.2018 14:09
#90 RE: Renovierung Domorgel St. Stephan
Ma

Ja, das wäre ein ganz netter Zug. Planyavsky hatte die Orgel immerhin seit 1969 (und dann 22 Jahre) unter den Fingern, da war sie noch keine zehn Jahre eingeweiht - eigentlich ein neues Instrument! Wahrscheinlich wusste er, dass punktuelle Änderungen an einer unbefriedigenden Orgel keine signifikante Besserung gebracht hätten, und ein massiver Umbau einer neuen Orgel wäre damals nicht vermittelbar gewesen (bzw. ein Affront ggü. den Spendern und denen, die sie abgenommen haben).

Du schreibst "Befürworter dieser Orgel" ... ob klanglich da noch ein Stein auf dem anderen bleibt? Sie wird zwar weiterhin 125 Register haben, aber doch ein völliger technischer Neubau unter Beibehaltung von 50% des Pfeifenmaterials, dann wohl (erstmalig oder um-)intoniert. Da ja auch neue Register wie Trompeteria, Streicherchöre usw. geplant sind, wird man auch nicht alle Details der Kauffmann-Disposition beibehalten können; ob z.B. die sechs labialen 4' im Pedal alle drinbleiben?

Hach, ich muss mal unbedingt nach Wien! Sinnvollerweise erst nach Fertigstellung der Großorgel. Prost:

Gloria Concerto 350 Trend

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