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»Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
#76 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
@Georgy
Deinen Eindruck kann ich nur voll und ganz bestätigen!
Da meine Dienste generell abends stattfinden, lasse ich mich an manchen Sonntagmorgen wirklich darauf ein, den Masochisten zu mimen...
Will sagen: Es gibt eigentlich keinen dieser
"ZDF-Fernsehgottesdienste", und zwar ganz gleich bei welcher der "großen Konfessionen", bei denen sich mir nicht der Magen umdreht...
An Seichtheit in jeder Hinsicht nicht
zu überbieten...
Viele Grüße
Bernhard
#78 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Zitat von Gemshorn im Beitrag #77
Können wir zum eigentlichen Threadthema zurückfinden?
Falls nicht, schließe ich hier ab.
Hier eine Weiterführung des Themas im Deutschlandfunk.
Christfried Brödel von der Neuen Bachgesellschaft in Dresden zur Debatte um den „Sound Gottes“ –> „Kirchenmusik ist kreativ und wach“
https://ondemand-mp3.dradio.de/file/drad...37_02f87730.mp3
#79 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Einer der Knackpunkte scheint mir die Frage zu sein, ob Kirchenmusik in ihrer traditionellen Form dem Hörer eine "Gotteserfahrung" ermöglicht.
Dazu zwei Dinge: Helmuth Rilling sagte mir in einem Interview (das allerdings schon 20 Jahre her ist): "Bach ist derzeit der größte christliche Missionar in Japan."
EIn befreundeter Organist an einem Dom in Norddeutschland erzählt mir: "Morgens im Gottesdienst bespiele ich knapp 100 Leute. Gebe ich abends ein Konzert, ist der Dom proppevoll. Niemand vom mehrköpfigen Dompfarrer-Team ist bereit, sich vor dem oder während des Konzertes hinzustellen und mit ein paar Sätzen zu erklären, dass diese Musik nicht zum ästhetischen Genuss für protestantische Bildungsbürger entstanden ist, sondern zur Erbauung der Mühseligen und Beladenen, die unter der Kanzel sitzen - und vor allem zur Ehre Gottes."
Vor allem der letzte Gedanke sitzt mir mit einem festen Widerhaken im Hirn. Da lassen Leute, die "Menschenfischer" sein sollen, eine große Möglichkeit, Menschen das Mysterium "Gott" zu erschließen, mit Vorsatz verstreichen. Ich vermute, weil sie selber keinen Zugang mehr zu kulturellen Werten haben, die in der Kirche und für die Kirche entstanden sind.
Qualitativ hochwertige Kirchenmusik darf eigentlich kein sich selbst bezweckendes Kulturgut sein. Es muss Teil der Verkündigung sein - und von Seite der Theologen und Musiker als solche begriffen werden.
Wenn also schon Ohrensessel, dann bitte zwei: Im einen sitzt der selbstverliebte "Künstler", im anderen der ignorante Pfarrer.
Und mit einer "Alternative" aus Tschingderassa, Action, Dialogpredigt und "frommem Theater" sind nun mal keine Gläubigen zu gewinnen oder gar zu erbauen, sondern bestenfalls "Eventhopper", die am nächsten Sonntag anderswo hoppen.
LG
Michael
#80 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
#81 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Das Problem ist, dass diese Gedanken nur im Team und im Konsens von Pfarrer und Kirchenmusiker zu vermitteln sind. Wenn Du als Kantor einen Pfarrer bekommst, der keinen Zugang zu kulturellen Werten hat und der selber zu den Eventhoppern gehört, stehst Du auf verlorenem Posten. Ich habe daraus im März '18 die Konsequenz gezogen und die mir eigentlich sehr lieb gewordene Wicherngemeinde verlassen. Meine Lebenszeit war mir zu schade dafür, den Klangkulissenschieber für inhaltlichen Firlefanz zu machen.
Und siehe - es war wohlgetan. Meine jetzige Gemeinde(n) beorgele ich nun schon mit viel Freude über das Verrentungsdatum hinaus - und ich hoffe, das bleibt noch ein paar Jährchen so.
LG
Michael
Das alles trifft dieses Thema sehr gut. Ein Professor für Liturgik sagte uns Studenten damals: Ihr seid mit der Musik oft die Antwort auf die Fragen aus dem Altarraum. Macht euch bewusst, dass es oft keine oder schlechte Fragen gibt. Das war vor 35 Jahren.
Die Ignoranz gegenüber den Möglichkeiten der Kirchenmusik bei Verkündigung und Mission ist oft beispiellos.
Deshalb kann ich deine Entscheidung gut verstehen. Momentan ist die Wichernkirche sowieso gesperrt.
Also genieße die Zeit in den dankbaren Gemeinden. Sie werden deinen Einsatz und dein Wissen sicherlich schätzen.
LG Ulrich
#83 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #81
Meine Lebenszeit war mir zu schade dafür, den Klangkulissenschieber für inhaltlichen Firlefanz zu machen.
«Klangkulissenschieber« – treffender Ausdruck
Mir wäre es auch lieber, dass Gottesdienste im Vorfeld mit den Geistlichen (auch oder vor allem musikalisch) besprochen würden. Wenn so eine Gottesdienstvorbereitung mit meiner Beteiligung tatsächlich mal stattfand, hat mich das beflügelt. Ich bin auch gerne bereit, Zeit dafür aufzuwenden und gewisse Wegsstrecken zurückzulegen, von mir aus auch jede Woche.
Wie das aus dem Blickwinkel eines gestressten Pfarrers ausieht, kann ich nur vermuten – schließlich ist es für ihn ein Mehraufwand.
#84 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Zitat von Mark Elert im Beitrag #83
Wie das aus dem Blickwinkel eines gestressten Pfarrers ausieht, kann ich nur vermuten – schließlich ist es für ihn ein Mehraufwand.
Neee, das ist sein Job!
LG
Michael
#85 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Zitat von Wichernkantor im Beitrag #84
Neee, das ist sein Job
Ja, ich weiß. Es gibt halt Unterschiede, zumindest bei meinen »Kunden«.
Oft ist es ein geistig-intelektuelles Korsett, aus dem sich manche Pfarrer erst befreien müssen. Da wird ein lebendig-musikalischer Ablauf des Gottesdienstes dem trockenen, buchstabengetreuen Abspulen theologischer Themen geopfert, als wenn das eine Pflichtübung wäre und keine Kür. Lieder werden nur nach ihrem textlichen Inhalt ausgewählt, auf ihre musikalische Qualität wir nicht geachtet. Daraus entsteht dann ein Gottesdienst, an den sich einen Tag später kein Besucher mehr erinnert.
PS. Der besseren Verständlichkeit wegen habe ich den Beitrag nochmal geändert.
Zitat von UlrichDu :
"Die Ignoranz gegenüber den Möglichkeiten der Kirchenmusik bei Verkündigung und Mission ist oft beispiellos."
Ich will nur an die 50- oder 60-Jahre erinnern, als über die Verkündigungsfähigkeit der Kirchenmusik heftigst gestritten wurde (z.B. in "Musik und Kirche"). Der Streit, der also bis heute nicht beigelegt ist, ging und geht weiterhin zugunsten der "Schriftgelehrten" aus. Rein kirchenpolitisch gesehen ist ihre Machtstellung das eigentliche Hindernis einer sinnvollen und deshalb so wichtigen Kooperation zweier "Diener". Theologisch und musikgeschichtlich dürften nur marginale Einwände, die halt überall zu finden sind, einer praxistauglichen Anerkennung der u m f a s s e n d e n g o t t e s d i e n s t l i c h e n Vollwertigkeit der Kirchenmusik entgegenstehen.
Meine Hoffnung diesbezüglich ist allerdings immer mehr im Schwinden, da ich, pauschal gesagt, die heutigen kirchenmusikalischen Bestrebungen, sich dem allgemeinen primitiven Geschmack anzupassen, sehr suizidal empfinde.
Orgelditi
Georgy
(
gelöscht
)
#87 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Ja, Religionssprache ist Symbolsprache, Seelensprache.
Sie ist nicht "technisch-wissenschaftlich" entstanden, noch so gemeint.
Wir Heutigen verstehen sie meist im falschen, "nüchternen" Sinn.
Daraus erklärt sich zu erheblichen Teil der Abstieg und der Ausstieg aus der Religion.
Für jüngere Menschen klingt vieles nach: das hältst du doch im KOPF (!) nicht aus.
Musik hat dieses Problem nicht.
Wenn in einer guten Aufführung z.B. erklingt "Ich weiß, dass mein Erlöser lebet", dann ist nicht das rationale Verständnis im Vordergrund, sondern das Unfassbare, Numinose, Tiefsinnige und beruhigend-wiegend-Sichere, das gute Kirchenmusik "transportiert".
Das ist die eigentliche Re-ligio,die Rückbindung an die Wurzeln unserer Existenz.
Dort wo dies lebt, wird etwas gespürt.
Etwas Bleibendes, eine entscheidende Dimension unseres Daseins.
#89 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Hallo an euch,
ich lese gerade in zeitzeichen 9/2021 ein Interview mit besagtem Hr. Bayreuther: "Eine unmittelbare Gotteserfahrung", bezugnehmend auf sein Buch "Der Sound Gottes. Kirchenmusik neu denken." (Claudius, München).
Ich würde das Interview so zusammenfassen: weg von vorgefassten und teilweise nur noch elitären musikalischen Formen wie Chorälen, Oratorien, Regerschen Doppelfugen (= "wie zwei Flaschen Rotwein, serviert vom Kellner") - hin zu individuell erlebbaren Klängen (Klangholz auf der Kirchenbank, interaktive Soundobjekte, das Rauschen der Autobahn).
Weg von "pastoralen Top-down-Veranstaltungen" zu "suchenden, tastenden Gottesdiensten" mit "Dürstenden, die nach dem einen Tropfen Wasser suchen, der ihnen Linderung verschafft". (siehe Bild oben mit dem Rotwein).
Konkret wird er aber nicht. Er will halt weg von Krücken der vorgegebenen Ausdrucksgestalten. Ab da begänne dann das Er-hören und Er-fahren einer möglichen Gegenwart Gottes. --> Für mich sehr abgehoben und elitär gedacht.
Dazu auch der Leitartikel von Willi Wild (der heißt wirklich so) in Glaube & Heimat 36/2021, wo Johanna Korf (Kirchenmusikerin im Mansfelder Land) deutlich dagegenhält: "Niemand weiß, was dem lieben Gott gefällt, und wo er sich die Ohren zuhält."
Mein Fazit: Kirchenmusik soll und muss Menschen berühren = einen Zipfel vom verborgenen Gott wegziehen.
So würde ich das sehen.
Mit besten Grüßen
SeltenGedackt
#90 RE: »Die Kirchenmusik ist im Ohrensessel eingeschlafen.«
Zitat von SeltenGedackt im Beitrag #89
Dazu auch der Leitartikel von Willi Wild (der heißt wirklich so)
Eigentlich heißt er Andreas. Die Alliteration hat ihm wohl gefallen und er hat sich diesen "Künstlernamen" zugelegt. Sein Vater war Direktor der Bibelschule, die meine Frau absolviert hat und sie war Andreas' gelegentliche Babysitterin ...
LG
Michael
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