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Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
#16 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
Und früher gab es die Situation ja auch schon.
Wenn ich mich richtig erinnere, hatte sogar der Bach damals teilweise Probleme, weil er harmonisch Sachen probiert hat, an die die Leute nicht gewöhnt waren. Und der Skandal mit der singenden Jungffer.. ;)
Gerade letztens habe ich (allerdings nur vom Blatt runter) was von Frescobaldi gespielt, wo ich mir gedacht habe, das hat er jetzt aber auch nur so geschrieben, um zu zeigen, dass er wirklich gut spielen kann -- denn schöner ist es dadurch nicht geworden. Das Stück kommt dann vielleicht in zehn Jahren nochmal dran, und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm (=
Ich sehe das ähnlich wie @wichernkantor .
Einen Punkt möchte ich vielleicht noch ergänzen: Ich finde, auf zeitgenössiche Musik (und auch einem Teil der Musik des 20. Jahrhunderts) muss man sich einlassen, dann KANN das ein persönlich gewinnbringendes Musikerlebnis sein. Mir erleichtern oft auch Erklärungen zu der Musik, um sie besser zu erfassen. Insgesamt ist zeitgenössische ernste Musik aber nicht so "konsumentenfreundlich" wie die Musik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts.
Was aber für mich ganz entscheidend ist: auf neue Musik- und Klangwelten muss man sich einlassen. Das geht im Konzert oder generell live viel besser als "nebenbei" auf Aufnahmen oder Videos. So kann die Musik unvermittelt wirken. Und ein Live-Musik-Erlebnis, das Zuhörer verstört, hat beim Zuhörer ja auch etwas bewirkt. Im Sinne des Kunst kann auch das ein "gutes" Ergebnis sein. Denn durch Irritation kann man zum Nachdenken angeregt werden, dies kann zu Neuem oder bewusster Ablehnung führen. Alles m.E. völlig in Ordnung.
Viele Grüße
In der Diskussion um moderne Musik/Kunst/Literatur/Filme etc. nehme ich immer so einen unterschwelligen Vorwurf wahr, als wäre man (mal etwas überspitzt formuliert) schmalgeistig und nicht offen für Nachdenkensprozesse oder Innovation, wenn man sich nicht für diese Ausdrucksformen begeistern kann. Mein Punkt war: wenn der Tag bereits ausreichend mit anderen Nachdenkensprozessen gefüllt ist, sehne ich mich einfach nach "schöner" Kunst.
Nebenbei glaube ich nicht, dass man manche "moderne" Kakophonie mit der Situation von Reger vs. Bach vergleichen kann.
VG
Stephan
#19 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
Zitat von SJL im Beitrag #18
Mein Punkt war: wenn der Tag bereits ausreichend mit anderen Nachdenkensprozessen gefüllt ist, sehne ich mich einfach nach "schöner" Kunst.
Und das ist m.E. völlig legitim. Messiaens "Banquet céleste" ist keine "Entspannungsmusik". Bachs "Schmücke dich, o liebe Seele" sehr wohl ...
Und beides ist Kunst in höchster Vollendung.
Zitat von SJL im Beitrag #18
Nebenbei glaube ich nicht, dass man manche "moderne" Kakophonie mit der Situation von Reger vs. Bach vergleichen kann.
Natürlich nicht. Aber das Ergebnis ist in der Wahrnehmung weitgehend identisch. Hochkomplexe Harmonik und arhythmisches Herumgehämmere auf den Tasten sind verschiedene "Eskalationsstufen", haben aber ggf. die selbe abschreckende Wirkung. Wobei ersteres meistens abgedeckt ist mit hoher Berherrschung des kompositorischen Handwerks. Krach hingegen bleibt einfach Krach, selbst wenn er "fingerfertig" dargeboten wird.
LG
Michael
#20 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
Also von meiner Seite aus ist überhaupt kein Vorwurf gewollt oder gemeint. Ich bin ohnehin Amateur und kann mir gar kein Urteil leisten.
Wenn unser Musiklehrer in der Schule uns was Modernes vorgespielt hat und wir das doof fanden und er uns dann gesagt hat, wir verstünden die Musik halt einfach nicht, dann fand ich das immer ziemlich doof -- und nebenbei auch total unhilfreich, das erzeugt höchstens Trotz.
Ich mag es selbst lieber schön als experimentell. Und Bach ist der einzige, den ich stundenlang spielen oder hören kann und danach das Gefühl habe, dass mir wirklich nichts fehlt. Auf Kakophonie bin ich persönlich überhaupt nicht neugierig =)
Wichtig ist am Ende doch nur, dass es einem gefällt (oder falls nicht, dass man wenigstens gut dafür bezahlt wird, sich damit auseinanderzusetzen :D).
Es ist sicher ein großer Unterschied, ob man es selbst spielen darf oder ob man es hören muss.
So sind die Orgelsonaten von Paul Hindemith ein spielerischer Genuss, aber nicht ein Hörgenuss, wenn man nebenher seine Kaffeetasse spült. Bei Wolfgang Petri stellt sich diese Problematik nicht.
Michael
#22 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
#23 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
#24 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
#25 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
Die forderndsten Stücke, die mein OL in seiner Laufbahn gespielt hat, waren
- Busoni/Middelschulte Fantasia contrappuntistica
https://www.youtube.com/watch?v=rCSJ1B9VCE8
- Ligeti Volumina
https://www.youtube.com/watch?v=wbLcI9-Js0U
Die Fantasia entstand 1910 und die Volumina 1961/62. Ist das noch "zeitgenössisch"?
#28 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
Als Schüler konnten wir bei den Donaueschinge Musiktagen die Proben besuchen (erste Hälfte 1970er-Jahre). Es war die Zeit von John Cage, Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel, Krzysztof Penderecki, György Ligeti u. a.
Für uns waren die Musiktage damals auch am Abend das reinste Abenteuer. Zunächst ohne Karten sich in die Konzerte einschleichen, sich irgendwo in eine Ecke drücken und dem Getriebe zuschauen – beeindruckt vom riesigen Sinfonieorchester des SWF und jeder Menge exotischer Klangaufbauten und Schlagwerke. Ein Stockhausen-Konzert ist mir heute noch – zumindest visuell – sehr gegenwärtig. Highlights waren die SWF-Jazz-Sessions mit dem Jazz-Redakteur Joachim-Ernst Berendt.
Zur Frage des ästhetischen Klanggenusses, der ja höchst umstritten ist. Ich habe in späteren Jahren zweimal eines der wenigen Konzerte der Musiktage besucht, die keine Uraufführungen präsentierten und mir die Stücke vorher auf Konserve angehört (das war ein Service der dortigen Musikschule). Und siehe da, allein mit dieser Vorbereitung war das musikalische Erlebnis erheblich intensiver – ich würde sogar von einem Hörgenuss sprechen.
#29 RE: Zeitgenössische Tonkunst auf der Orgel
Zitat von SJL im Beitrag #13
Das, was ich sowohl in meinem Hauptberuf als auch generell in der Welt da draußen beobachte, ist für meinen Geschmack verstörend und irritierend genug. Da wünsche ich mir von der Kunst einfach ein bisschen "Seelenreinigung", da brauche ich kein intellektuell-kreatives Gejaule, so faszinierend und beeindruckend es im Detail auch sein mag.
ich weiß ja nicht, ob du nebenamtlich gottesdienste "beorgelst" ... aber ein pfarrer, der in seinen predigten immer nur schöne-welt-geschichten erzählt, wäre mir nix. das ist für mich beim kimu nicht anders?
Zitat von 2nd_astronaut im Beitrag #29
aber ein pfarrer, der in seinen predigten immer nur schöne-welt-geschichten erzählt, wäre mir nix. das ist für mich beim kimu nicht anders?
Schon wieder klingt es so, als wäre man oberflächlich und nicht willens, sich mit den Problemen und Konflikten dieser Welt auseinanderzusetzen. Das ist nicht der Fall und offensichtlich ein Missverständnis.
Aber ich erwarte von der Musik (und von einer guten Predigt übrigens auch) schon etwas grundsätzlich Aufbauendes. Mal salopp formuliert möchte ich mich danach gerne etwas besser fühlen, nicht noch schlechter und beladener. Das hat m.E. überhaupt nichts mit "Schöne-Welt-Geschichten" zu tun.
VG
Stephan
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