Psychoterror meines Orgellehrers!?

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11.06.2022 17:16 (zuletzt bearbeitet: 11.06.2022 17:18)
avatar  trm
#1 Psychoterror meines Orgellehrers!?
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trm

Ich werde von meinem Orgellehrer gerade auf drastische Art und Weise mit Sünde, Tod und Sterben konfrontiert.

Vor 4 Monaten habe ich ja nach langer Wartezeit meine 3-manualige Hoffrichter-Orgel bekommen und konnte im zarten Alter von 71 Jahren endlich mit dem Orgelunterricht beginnen.

Als allererstes Stück hat er mir verordnet, zum Herrn Jesu Christ zu rufen (BWV 639).
Danach musste ich einsehen, daß alle Menschen sterben müssen (BWV 643).
Jetzt animiert er mich dazu, alle meine großen Sünden zu beweinen (BWV 622).
Damit noch nicht genug, soll demnächst folgen "Wenn wir in höchsten Nöten sein" (BWV 641).

Der Titel dieses Chorals beschreibt sehr genau meine augenblickliche Verfassung!

Für mich alten Sack ist es schon schwierig genug zu lernen, daß die Finger der linken Hand und die Füße unabhängig voneinander ihre Aufgaben zu erfüllen haben.
Als Atheist soll ich nun auch noch Exegese betreiben und dem Lehrer zeigen, wie dieser mitteldeutsche Barockkomponist die Bilder der Choralstrophen in Musik gebracht hat.

Ich bin drauf und dran, sofort den Klavierunterricht zu beenden.


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11.06.2022 17:40
avatar  Aeoline
#2 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Hallo trm,

lass' Dich bitte nicht als 70plus von Deinem Orgellehrer "verführen"...

Was möchtest Du spielen?

Das hat mich MagisterPerotin zu Beginn meines Unterrichts gefragt. Seit dem lehrt er mich zu 75% Stücke, die ICH ausgesucht habe... - mit der damit verbundenen Eigenmotivation zum üben...

Wie weit ist es von Dir nach Frankenberg?...



VG
Aeoline


Organisten leiden oft an einer schlimmen Krankheit: Augentinnitus - Man(n) sieht nur noch Pfeifen...

Viscount Unico 400 DE [V1.14.19] (56/III/P) : ab 11.2012
Johannus Opus 520 (45/II/P) : 10.1987-11.2012
Siel HB 700 (9/II/P) : 1977-09.1987)

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11.06.2022 18:24
#3 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Zitat von Aeoline im Beitrag #2
Was möchtest Du spielen?
Das hat mich MagisterPerotin zu Beginn meines Unterrichts gefragt. Seit dem lehrt er mich zu 75% Stücke, die ICH ausgesucht habe... - mit der damit verbundenen Eigenmotivation zum üben...

Wie schön, dass das so gehen kann -- und wenn der Schüler kooperativ ist, haben ja alle mehr davon. Und es ist schließlich kein Studium mit Lehrplan =)


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11.06.2022 19:34
#4 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Administrator

Oje, armer Theo!
Nimm dir deinen Lehrer doch mal beiseite...


Auf Orgelsuche.

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11.06.2022 21:09
#5 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
Ch

Im Grunde ist gegen diese Stücke nichts einzuwenden und es sind trotz dem Thema musikalisch sehr gute Stücke. Für den Anfänger sind sie aber insofern meiner Meinung nach eher ungeeignet weil es zermürbend ist Stunden, Tage oder gar Wochen solche Stücke zu perfektionieren. Das zieht einen dann irgendwann wirklich runter. Ein "Lobe den Herren" ist da schon motivierender.

Ich selbst kenne es vom Unterricht so dass primär die Dinge für Liturgische Einsätze dort im Mittelpunkt standen. Also das ich am Ende des Unterrichts in der Lage war einen Gottesdienst selbstständig musikalisch zu planen und zu begleiten. Dazu ist es eigentlich primär wichtig das man aus dem Choralbuch sauber spielen kann oder aus dem Gesangsbuch harmonisieren kann. Ein Präludium und so kann man sich dann ja selbst erarbeiten.

Du solltest mit deinem Lehrer sprechen das du mit dieser Situation nicht zufrieden bist. Ihm wird es vielleicht nur nicht bewusst sein das es nicht dein Wunsch ist solche Stücke zu spielen. Bringe ihm z.B mal eigene Noten mit. Es gibt viele großartige Stücke (auch frei verfügbar) wie Pachelbel's "Wies chön leuchtet der Morgenstern" und ähnliche die nicht zu schwer sind aber wunderbar klingen.

Hier mal ein kleiner Tipp was ich gerne spiele und auch am Anfang als Quelle gerne genommen habe: https://imslp.org/wiki/Denkm%C3%A4ler_deutscher_Tonkunst


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11.06.2022 22:01
#6 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Hallo,

ich bin mir nicht sicher, ob der Begriff "Psychoterror" hier der richtige Begriff ist, und ob du in die Liedauswahl deines Orgellehrers zu viel hinein interpretierst.
Unabhängig davon soll Unterricht auch Spaß machen und es gibt nun wahrlich genug Literatur, vom Einzelstück bis hin zur kompletten Orgelschule, die fröhlicher daherkommt, als die genannten Bachwerke.
Auch wäre es ja nicht so, dass man nur mit diesen Stücken das Orgelspiel erlernen kann. Vielmehr handelt es sich eher um etwas fortgeschrittene Stücke.

Ich halte es allerdings für falsch, die Flinte unkommentiert ins Korn werfen zu wollen. Nur wer redet, dem kann geholfen werden.
Grundsätzlich würde ich also das Gespräch mit dem Orgellehrer suchen. Wenn er auch pädagogisch etwas taugt, und nicht nur Orgel spielen kann, sollte er für deine Wünsche und Bedürfnisse ein offenes Ohr haben.
Sollte das so nicht funktionieren, kann man ins Gespräch einstreuen, dass man überlegt, den Unterricht wieder aufzugeben.

Dann wird es interessant, denn:

Hast du bei ihm Privatunterricht, wo er die komplette Unterrichtsgebühr behalten kann, sollte er das finanziell merken. Läuft der Unterricht jedoch über die Kirchenmusik eines Bistums, so gibt es in der Regel einen Ausbildungsvertrag, der für beide Seiten gilt.
In diesem Fall zahlst du für deinen Unterricht an die Diözese, die wiederum deinen Lehrer entlohnt, wenn er nicht schon eine bestimmte Anzahl Unterrichtsstunden in seinem Arbeitsvertrag inkludiert hat.
Werdet ihr euch nicht einig, so können 2 Dinge passieren:

1. Du schmeißt hin,und kündigst den Ausbildungsvertrag, was seitens des Kirchenmusikdirektorats sicherlich zur Frage nach dem "Warum" führt. Diese wird man sicherlich dann zuerst dir und danach deinem Lehrer stellen.
2. Dein Lehrer möchte dich nicht mehr unterrichten, wenn du auf andere Literatur bestehst. Ok, aber es gibt einen Ausbildungsvertrag, und wenn du einer Vertragsaufhebung nicht zustimmst, muss das Bistum eben schauen dich bei einem anderen Orgellehrer unterzubringen. Irgendwie ist es ja schwer zumutbar beim gleichen Lehrer weiterzumachen, nachdem dieser den Unterricht abgelehnt hat. Eine Stresssituation, die sicherlich zu unangenehmen Fragen an deinen Orgellehrer führen würde.

Alles keine Situationen, die man haben will. Denn so richtig gewinnen kann keiner. Weder als Lehrer, noch als Schüler, weshalb alle Beteiligten sicher ein Interesse an einer einvernehmlichen Lösung haben sollten.

Ich würde daher ein klärendes Gespräch suchen. Gleichzeitig würde ich mir aber vorher schon 1-2 Stücke heraussuchen, die ich stattdessen gern spielen möchte. So gibst du gleich die neue Richtung ein Stück weit vor, anstatt deinem Lehrer wieder die freie Auswahl zu lassen, wenn ihr euch einigt die Bächlein mal bis zum nächsten Karfreitag wegzupacken.

Sollte ein Gespräch nichts bringen, was solls? Es gibt noch andere Orgellehrer. Klar, es gibt auch Koryphäen, die nicht so einfach austauschbar sind, aber mal ehrlich: Das sind spielerische Regionen, in denen wir ambitionierten Laien sowieso nicht mitmischen.
Meinen Traum vom Orgelspiel würde ich mir dadurch nicht vermiesen lassen. Besonders dann nicht, wenn ich solch ein Instrument in der Hinterhand hätte, dessen spielerischen Möglichkeiten ich für mich bestmöglich nutzen möchte.

VG
Festival Trumpet 8'

"Warum Bach auf der Liste meiner fünf liebsten Komponisten nicht auftaucht? Ich würde in die Liste der fünf größten Religionsstifter ja auch nicht Gott aufnehmen." Daniel Cope

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12.06.2022 01:08
#7 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Als Alternativstücke könnte ich Sweelinck empfehlen: Paduana Lachrymae. Oder Mein junges Leben hat ein Endt -- das hellt die Stimmung garantiert auf ;)

Wenn der erste Post allerdings total ernst gemeint war (immerhin ist nicht der 1.4. gewesen), dann wäre wohl wirklich etwas zu tun -- es wäre so schade, die Begriffe "Bach" und "mag ich nicht" zu verknüpfen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.

Ließe sich als Atheist der Text nicht einfach ignorieren? Spätestens wenn es ans "Wir gläuben all' an einen Gott" ginge, gäbe es ja das nächste Problem ;)


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12.06.2022 07:31 (zuletzt bearbeitet: 12.06.2022 07:32)
avatar  Positiv
#8 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Als ich noch so ein ganz junger Junge war, hatte ich eine Spielkameradin, welche eine halbe Stunde Klavier üben musste. Täglich war dann der Fight mit der anordnenden Oma, die Uhren so zu verstellen, dass die halbe Stunde als solche von der strengen Dame empfunden, aber unmerklich verkürzt wurde.

Irgendwann fragte ich Kameradin (selbst war ich mit kirchlichen Themen noch unbeleckt), was sie denn gerade üben müsse. Sie meinte, irgend so einen Müll, von Adams verderbtem Abfall (Durch Adams Fall ist ganz verderbt BWV 637). Kein konstruierter Witz, war so, und ich war höchst impresst, vermutlich war es meine erste Begegnung mit der Kirchenmusik.

So verstehe ich auch Theo mit seinen Reflexionen zum Orgelunterricht.

Im Ernst kann Unterricht in jedem Lebensalter lohnen. Nur die Anforderungsprofile ändern sich. Die Zielerreichung ist mit 71 vielleicht nicht mehr im Unendlichen zu finden, sondern im noch Machbaren. Darauf stellt sich der in der Regel jüngere Orgellehrer (div.) gerne ein und wird auch einen entsprechenden Orgelunterricht anbieten. Gelegentlich sind Künstler dem Alkohol oder sonstigen Drogen verfallen, da gilt es dann anderweitig zu investieren.

Michael


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12.06.2022 07:55
#9 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Moderator

Na ja, lieber Theo, immerhin ist das alles wirklich geniale Musik. Denk' Dir die Texte einfach weg.
Ich habe früher (als bei Hochzeiten noch nix vom Band und von der Band plärrte) gern BWV 622 während der Tränen der Brautmutter gespielt, ohne den Titel des Stückes zu verraten. Auf gelegentliche Nachfrage habe ich lapidar gesagt: "Das ist von einem gewissen Herrn Bach."

LG
Michael


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12.06.2022 08:30
avatar  pvh
#10 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
pv
pvh

Hallo,

Zitat von Positiv im Beitrag #8
Im Ernst kann Unterricht in jedem Lebensalter lohnen. Nur die Anforderungsprofile ändern sich. Die Zielerreichung ist mit 71 vielleicht nicht mehr im Unendlichen zu finden, sondern im noch Machbaren. Darauf stellt sich der in der Regel jüngere Orgellehrer (div.) gerne ein und wird auch einen entsprechenden Orgelunterricht anbieten.

Sehe ich auch so. Eine Bekannte hat nach der Verrentung mit Orgelspielen angefangen, nach ein paar Jahren die D-Prüfung abgelegt und spielt, soweit ich weiß, immer noch (gelegentlich?) im Gottesdienst. Ich kenne auch eine ehemalige Kantorin, die nach der Verrentung Cello gelernt und jetzt viel Freude in einem kleinen Ensemble hat.

Konzertreife wird man bei so einem späten Beginn nicht mehr erreichen. Auch bei Berufsmusikern geht es ab +/- 60 eher drum, das Repertoire zu halten, und weniger darum, es zu erweitern. Was Virtuosität angeht, wird es schon ab 50 aufgrund von Alterungsprozessen in der Wahrnehmung und Motorik schwierig, Neues zu erarbeiten.

Es gibt aber für jeden genug tolle Musik, die technisch machbar, nicht zu komplex ist und Spass macht, dass sich das Erarbeiten lohnt. Der Lohn wird sein (sagen Studien), dass die musikalische Aktivität Alterungsprozesse deutlich verlangsamt, besonders natürlich Orgelspielen mit seinen vielfältigen und vielseitigen kognitiven und motorischen Aufgaben (könnte man folgern, eigene Studien kenne ich nicht).

Hier sind ja fast nur ältere Männer versammelt, die häufig ja Tanzmuffel sind und ihren Frauen den Wunsch nach einem Tänzchen oder Tanzabend meist abschlagen*. Tanzen hat ähnliche positive Wirkungen auf den Alterungspozess von Gehirn und Motorik und wenn man dann Orgelspielen und Tanzen kombiniert... ;-)

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.

* Sorry, wenn ich hier total falsch vermute...


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12.06.2022 11:09 (zuletzt bearbeitet: 12.06.2022 11:10)
#11 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
Ch

Zitat von Positiv im Beitrag #8
Als ich noch so ein ganz junger Junge war, hatte ich eine Spielkameradin, welche eine halbe Stunde Klavier üben musste. Täglich war dann der Fight mit der anordnenden Oma, die Uhren so zu verstellen, dass die halbe Stunde als solche von der strengen Dame empfunden, aber unmerklich verkürzt wurde.


Das sind Rahmenbedingungen unter denen keine guten Musiker entstehen. Musik ist für mich etwas kreatives, Kreativität stirbt unter Druck. Klar kann man so lernen wie man technisch korrekt vom Blatt spielt. Das Ergebnis wird dann aber selten gut für den zuhörer.

Wir alle wissen wohl wir frustrierend Orgel sein kann. Aber entweder man hat die Leidenschaft dafür und leidet aus freien Stücken Frust oder man lässt es. Musiker erschafft man so nämlich nicht. Eher diese Leute die irgendwie unter Drogen funktionieren und an einer Überdosis früh sterben. Die Eltern wissen dort meist nicht was sie beim Kind anrichten.


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12.06.2022 11:22
#12 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
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Nicht nur tötet das die Freude beim Spielen ab, sondern die besagte Oma riskiert auch, später in ein sehr billiges Altersheim zu kommen (außer natürlich sie ist reich genug)..
Leider gibt es auch heute immer noch diese Art Portfolio-Kinder, die (manchmal sogar in erster Linie) ein Meilenstein im Lebenslauf ihrer Eltern sind und als solche natürlich vorzeigbar zu sein haben =/


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12.06.2022 11:34
avatar  Viola da Gamba ( gelöscht )
#13 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
Vi
Viola da Gamba ( gelöscht )

Orgelbüchlein ist natürlich bewährte Schule.
Aber es gibt momentan natürlich auch einige Schulwerke, die eine große Bandbreite abdecken.


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12.06.2022 11:35
#14 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
Ch

Bei Mozart war es doch glaube auch so. Der Vater hat am kleinen Amadeus Selbstverwirklichung betrieben. Natürlich stand er als begabtes Kind da, zumindest nach außen sieht man nur die Leistung. Die Realität das dieses Kind wohl ein Leben führte das nur aus schlafen und üben bestand sieht man da nicht. Und ich als Vater würde auch sagen dass mein Kind ein Talent hat. Den Zwang und die Prügel die dazu führten würde ich natürlich nicht nach außen tragen.

Bei YouTube gibt es Dutzende Videos von Kinder für nicht einmal 5 Jahre sind und schon die schwersten Stücke auf dem Klavier spielen. Primär um asiatischen Raum. Beim genauen hinschauen und hinhören merkt man da schnell das etwas nicht stimmt. Mal davon abgesehen das sich ein fünfjähriges Kind wohl nicht an die schwerste Stücke von Reger und Co setzen würde stimmt die Gestik und Mimik nicht. Ich vermute die Kinder machen das nur für Anerkennung der Eltern ohne zu verstehen was die tun. Wenn man ein Stück versteht was man spielt dann artikuliert man das gespielte ja auch durch seine Haltung und so.


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12.06.2022 11:39
avatar  Viola da Gamba ( gelöscht )
#15 RE: Psychoterror meines Orgellehrers!?
Vi
Viola da Gamba ( gelöscht )

Mal was anderes gefällig: Louis Vierne Preambule aus den Pieces en Style libre..


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