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Historische Orgel
#46 RE: Historische Orgel
Der Subbaß aus Metall klingt klarer und fester. Er bildet materialbedingt stärkere innerpfeifliche Obertöne aus. Der meine kann ohne 8'-Abdeckung oder Koppel verwendet werden und ist trotzdem im Raum gut bemerkbar.
Klar, in 75% poliertem Zinn ist er wohl deutlich teurer als einer aus Fichte. Aber bei tiefen Registern wird ja heute durchaus wieder Zink verwendet. Elektrolytzink (heute üblich) kann wegen seines Glanzes sogar im Prospekt verbaut werden. Und wenn die Pfeifen genug Wandstärke haben, ist der Ton in tiefen lagen so klar und fest wie bei Zinnpfeifen. Zink dürfte nicht wesentlich teurer sein als gutes Weichholz.
Richtig Geld kosten offene 16'er. Bei einem Prinzipalbaß kalkulieren die Orgelbauer heute mit 30.000 € plus X.
Wechselschleifen sind übrigens nicht sooooo viel billiger als eigenständige Register. Denn der gesamte mechanische und konstruktive Aufwand für das II. Man. ist ja da. Und der ist genau doppelt so hoch wie für ein einziges Manual. Die Pfeifen auf die zweite Lade schlagen weniger zu Buche als vermutet. Ich bin kein Freund von Wechselschleifen. Der alte Georg Jann war es übrigens auch nicht. Lieber weniger Register und dafür "echte".
Ob auf eine Windlade jetzt fünf oder sieben Register kommen, verteuert die Lade auch nicht mehr wesentlich. Allein der Verzicht auf die Zweimanualigkeit wäre ein wirklicher "Kostendämpfer".
Dann würde ich allerdings bei einigen Registern auf Schleifenteilung bestehen. Die Flöten 8' und 4' auf jeden Fall geteilt, ebenso die 2 2/3'-Quinte. Die Terz könnte sogar als reines Diskantregister ab c1 gebaut werden.
FG
Michael
So einen Neubau (einmanualig, Bass-Diskant-Teilung einiger Register) habe ich bereits einmal betreut. Die Orgel wurde aufs Ganze gesehen nicht so schlecht... trotzdem würde ich mich heute um eine zweimanualige Lösung bemühen, im Hinblick auf das Triospiel etwa.
Wie steht es um die Kostenersparnis, wenn die Orgel mit elektrischer statt mechanischer Traktur gebaut würde? Ich habe früher auf so einer Orgel gespielt, und gestört hat nur das laute Klappern der Magnete, da die Befilzung quasi nicht mehr vorhanden war.
Bevor die Steinigung beginnt, bitte um eine nüchterne Schätzung... [grin]
Also auf einer neuen elektrischen Traktur habe ich noch nicht gespielt. Aber manche sind schon ganz gut gelungen, wie z.B. die der großen Seifert-Orgel in Kevelaer. Allerdings habe ich auch schon eine von Breil in der Bochumer Propsteikirche unter den Fingern gehabt, die hat mir nicht so gut gefallen. Also es kommt auf den Orgelbauer an. Wer würde denn deiner Meinung nach eigentlich der Glückliche sein?
#50 RE: Historische Orgel
Das hängt vom Ladensystem ab. Bei Schleiflade ein Zugmagnet pro Ventil, sinnvoller Weise steuert er einen im Windkasten liegenden Balancier, der das Ventil zieht. Die Kosten liegen nur geringfügig unter der mechanischen Traktur. Die Magnete sind sehr teuer, da sie hohen Qualitätsanforderungen genügen müssen. Elektrische Trakturen von Klais oder Seifert aus den 60ern gelten als unkaputtbar, sowohl bei Schleiflade als auch bei Kegellade. Aber da war mit derselben Sorgfalt gearbeitet wie bei mechanischer Traktur.
Möglicherweise gibt es inzwischen auch modernere, elektronische Ventilsysteme.
Es gibt einige wenige Orgelbauer, die mit digitalisierten Einzelton-Ventilen arbeiten, die in einer Art Kastenlade verbaut sind. Das ermöglicht so etwas wie ein verbessertes Multiplex-System. Das dürfte im Vergleich zur mech. Schleiflade spürbar kostengünstiger sein. Wie sich das anfühlt und wie es klingt, weiß ich nur vom Hörensagen. Ich kenne Kollegen, die von den Möglichkeiten begeistert sind, per Programmierdisplay ihre Mixturen selber zusammenzubauen. Andere jammern über die fehlende Plastizität der Mittelstimmen im polyphonen Spiel.
Ich bin und bleibe Verfechter einer soliden und sensiblen Mechanik. Gerade eine kleine Orgel lebt von einer guten mechanischen Traktur. Nirgendwo sonst läßt sie sich so einfach und betriebssicher bauen.
Ich empfände den Verzicht auf Zweimanualigkeit als enorme Einschränkung. Die übliche mittelhessische Dorforgel hatte bis in die 1960er Jahre nur ein Manual. Wenn ich an solchen Instrumenten aushelfe, ist das Fehlen des II. Man. stets sehr unbefriedigend. Lieber weniger Register und zwei Manuale als eine "große" Einmanualige.
FG
Michael
#51 RE: Historische Orgel
Gerade habe ich mal in meinen "gesammelten Werken" gewühlt. Für kleinste Verhältnisse und eine ebensolche Gemeinde habe ich 1988 mal folgendes gemacht:
I. Prinzipalflöte 8' (Metall offen, Mittelding zwischen Prinzipal und Flöte, im Diskant anwachsend, im Baß Begleitregister für Soli auf II), Oktave 4', Nachthorn 2' Mixtur 4 f.
II. Spitzflöte 8' (solofähig), Prinzipal 2', Sesquialter 2f (Quinte als Vorabzug), Hautbois 8'
Ped. Subbaß 16' Holzflöte 8' (offen)
Vor allem das Hautbois, im Baß als Fagott gebaut, war die halbe Miete und der individuelle Farbtupfer, den jede Orgel bekam, die ich verbrochen habe.
Der (moderne) Raum hatte rund 300 Sitzplätze und mit 2 Sek. Nachhall eine recht gute Orgelakustik.
Ein Gemshorn 4' war auf der Windlade II bereits vorbereitet - Zug, Stock, Raster - alles da. Nur die Pfeifen fehlten noch. Ich müßte mal nachhören, ob sie mittlerweile beschafft wurden.
Die Orgel kostete damals 95.000 Mark.
FG
Michael
Zitat von Wichernkantor
Ich bin und bleibe Verfechter einer soliden und sensiblen Mechanik. Gerade eine kleine Orgel lebt von einer guten mechanischen Traktur. Nirgendwo sonst läßt sie sich so einfach und betriebssicher bauen.
Das bin ich auch. Bei elektr. Trakturen hat man null Möglichkeit auf die Ansprache der Pfeifen Einfluss zu nehmen. Denn da gibts nur AUF oder ZU (die Ventile).
Bei der mechanischen Traktur hast du sehr wohl die Möglichkeit die Ansprache zu beeinflussen indem du die Ventile aufreißt oder sanft anfziehst.
Eine pneumatische Traktur liegt da irgendwie zwischen. Beeinflussen kann man da auch nicht so viel.
Meiner Erfahrung nach würde ich immer für eine mechanische Traktur mit Tonkanzellen sprechen. Problem war früher immer die Empfindlichkeit der Mechanik bei Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Ist aber heute auch kein Ding mehr wenn man eine art Dichtungsring aus Kunststoff unter die Scheifladen anbringt der durch eine Feder permanent gespannt ist. Somit bleibt alles locker und die Schleifladen klemmen nicht wenn das Holz mal dehnt.
Also ich bin gar kein Freund der Pneumatik. Das war ich schon bevor ich Albert Schweitzer gelesen habe, und hinter noch weniger. Eine Pneumatische Orgel ist mir in der Übertragung des Signals zu langsam und zu unpräzise, daneben ist die Pneumatik sehr störanfällig:
Albert Schweitzer musste eine Generalprobe abbrechen, weil die Orgel versagte. Das Problem war ein Sandkorn in der Pneumatik.
Aber ganz oben bei den Spieltrakturen ist und bleibt die Mechanik. Eine gute robuste nicht zu schwergängige Mechanik, wohl gemerkt.
#54 RE: Historische Orgel
Bei der Elektrik sind die Dinge im Fluß. Es gibt bereits Trakturen, die die Eigenheiten des Anschlags von der Taste abnehmen (wie beim Digitalpiano), digitalisieren und die gewonnenen Daten in eine entsprechende Steuerung des Ventilaufganges umformen. Wahrscheinlich ist das Ganze noch teurer als eine Mechanik. Aber ich weiß von einigen Orgelbauern, die mit sowas experimentieren.
FG
Michael
@Gemshorn: Wie kommst du auf Elektropneumatik? Das da ein Unterschied ist, ist mir durchaus bewusst.
Also bei größeren Instrumenten muss man nicht umbedingt auf elektrische Traktur umsteigen. Es ist sicher besser, als wenn man bei 4 gekoppelten Manualen mit purer Muskelkraft arbeitet, aber ich würde immer zwischen elektrischer oder mit Barkermaschinen versehener mechanischer Traktur abwägen. Aber das ist ja eine andere Größenordnung, als die des Themas.
Aber auch bei kleinen Instrumenten kann die mechanische Traktur sehr schwergängig sein, ich sage da nur:
Alfred Raupach, Hattingen(wird sicher keiner kennen) und Alfred Führer, Wilhelmshaven.
Ich habe bei beiden Orgelbauern auf einmanualigen Werken gespielt, bei denen die Traktur schwergängiger war, als bei einer mechanischen Orgel, wo ich alle drei Manuale aneinader gekoppelt hatte.
Gottchen, wie war noch mal das Thema: Vorschläge für den Um/Ausbau einer Kleinorgel aus dem 18. Jahrhundert, und jetzt diskutieren wir über elektrische Trakturen.
Hat die Orgel eigentlich irgendwelche nennenswerten SchäDen, oder erfüllt sie nur die Ansprüche des derzeitigen Organisten nicht mehr? Hatten wir schon die vollständige Disposition?
Nennenswerte SchäDen?
Der Motor hängt ohne jegliche Abschirmung und/oder Schalldämmung an einem Gurt befestigt freischwebend im Orgelgehäuse. Der Spieltisch stammt aus dem 19. Jh., ursprünglich war die Orgel hinterspielig als Brüstungsorgel angelegt. Die Pedalpfeifenstöcke stehen auf einer Presspanplatte. Mehr Details konnte ich noch nicht erspähen, da das Orgelgehäuse irgendwie schwer zugänglich ist. Der Prospekt ist eine Rekonstruktion, also ebenfalls nicht mehr Original. Das Register Quinte 3' musste ebenfalls rekonstruiert werden, da dort im Laufe der Orgelgeschichte mal eine Gambe 8' eingebaut wurde. Über die hintere Gehäusefüllung, die vor kurzem lautstark während des Gottesdienstes zu Boden krachte, da ihre Verankerung vom Wurm zerfressen dem Gewicht nachgab, habe ich in einem anderen Thread berichtet.
Die Disposition sieht so aus:
Manual: (C,D,E,F,G,A-c'''
Coppel 8' (Holz, gedackt, recht kräftig intoniert)
Principal 4' (rekonstruiert)
Flöte 4' (Holz, weich, bezaubernd)
Quinte 3' (prinzipalisch, sehr laut)
Octave 2' (brillant, schön)
Mixtur III (strahlend, silbrig, gleichbleibender Plafond)
Pedal: (12tönig repetierend, C-f0)
Subbass 16' (Holz, gedackt, füllig rund)
Octavbass 8' (Holz, offen, aber nicht prinzipalisch)
Der Kirchenraum ist mittelgroß, sonntags kommen im Schnitt 70 Leute zum Gottesdienst, an Festtagen auch mal doppelt so viel; Platz hätten noch mehr. Die Kirche selbst ist barock mit traumhafter Akustik.
Der vorherige Organist war ein Dorfschullehrer, der Klavier spielen konnte... über seine Fähigkeiten möchte ich mich hier nicht verbreitern. Dem jetzigen Organisten — mir — genügt diese Orgel nicht mehr.
Die Gründe: Die Disposition ist für den Kirchenraum zu klein, es gibt kein Register, mit dem ich den Vorsänger gut begleiten könnte; die Coppel ist dafür viel zu laut und brachte mir oft schon nach dem zweiten Lied Heiserkeit ein. Kurze Oktave im Manual bei chromatischem aber repetierendem Pedal ohne Pedalkoppel wurden schon als Hindernisse benannt. Hinzu kommt, dass gerades Sitzen auf der Orgelbank eigentlich unmöglich ist, da der vorspringende Prospekt den Organisten dazu zwingt, den Kopf nach vor zu strecken.
Zitat von Gemshorn
Hinzu kommt, dass gerades Sitzen auf der Orgelbank eigentlich unmöglich ist, da der vorspringende Prospekt den Organisten dazu zwingt, den Kopf nach vor zu strecken.
Oh oh oh, da freut sich der OrthopäDe. Und das Pedal mit seinen anderthalb Oktaven ist ja auch nicht der Brüller. Ist das Pedal original oder wurde es später erneuert?
Zu der Begleitung des Vorsängers:
Wäre denn die Flöte 4' keine Alternative, wenn du nach unten oktavierst?
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